RAGAZZI, BLEIBT ZUHAUSE!


Briefe aus der Quarantäne (2) – Ab heute ist ganz Italien im Ausnahmezustand vereint

© Cluverius

Nicht viel Arbeit – Stadtreinigung auf der Piazza Duomo

Mailand (10. März) – Dienstag, dritter Tag im Ausnahmezustand. Die Bar an der Ecke zur Via Tadino hat seit gestern ganz geschlossen. Pazienza – es gibt ja genügend Alternativen. Doch es wird nicht mehr am Tresen serviert, man bekommt seinen Caffè plus das kleine Glas Wasser an den Tisch gebracht. Immer schön Abstand halten zum Nachbarn, mahnt die blonde Maddalena, die serviert. Sie stammt aus Rumänien. Wie die Lage da ist? Noch harmlos. Kaum mehr als zehn, fünfzehn Fälle. Allein in der Lombardei, berichten die Medien, sind es 4490.

Wir müssen da durch, sagt der Zeitungsverkäufer am Kiosk. Er hat die Fensterscheibe vor seinen Ausguck geschoben, wie sonst allein an frostigen Tagen. Und öffnet sie nur, um das Geld anzunehmen. Fasst erstaunt meldet die sich römisch fühlende Repubblica: „Tutti in casa“, alle müssen zu Hause bleiben. Nicht nur Mailänder, Lombarden, Venezianer. „E adesso tocca a noi.“ Seit heute ist ganz Italien Sperrgebiet. Brigitte schickt mit WhatsApp Fotos aus der Hauptstadt. Via del Corso – menschenleer. Es gab Hamsterkäufe. Mailand hat das hinter sich. Bloß eine kleine Schlange vor der Esselunga. Die Regale drinnen sind gut gefüllt. Nur Einmalhandschuhe gibt es keine mehr.

Mit dem Hund vor die Tür

Möglichst wenig Schritte vor die Haustür bitte, höchstens zum Einkaufen, zur Apotheke oder zum Arztbesuch. Darf ich denn mit meinem Hund raus? Fragt eine ältere Hörerin verängstigt im Radio. Natürlich darf sie. Aber immer schön Abstand halten, mahnt die Moderatorin. Das Mantra dieser Tage. Und ruft die Jugendlichen auf: lasst das Sozialisieren bitte! Ragazzi, bleibt zuhause, schaltet euch über FB oder sonst was zusammen, aber bitte keine Gruppentreffen in der Wohnung verabreden. Digital ist gesünder. Für uns alle.

Im Foglio schreibt Adriano Sofri über die „Ansteckung der Rebellion“, die Aufstände in den total überfüllten Gefängnissen in Italien (61.230 Personen bei 47.231 Plätzen). Keine Gespräche mehr mit Verwandten oder Mitarbeitern der Sozialdienste, keine Arbeitseinsätze außerhalb der Mauern. Der Virus sei der Funke für die „Bewohner des Untergrunds“, um auf die Dächer zu steigen.

Am Bahnhof wird seit heute kontrolliert. Reisen zwischen den Städten sind nur erlaubt, wenn man eine autocertificazione dabei hat, eine Selbsterklärung, in der man einen gewichtigen Grund für die Fahrt angeben muss. Das Formular dafür kann man sich im Internet herunterladen. Bei Falschangaben drohen Gefängnisstrafen.

Ein mies bezahlter Job

Eine Ruhe liegt über der Stadt wie sonst vielleicht nur Mitte August, wenn die Mailänder in den Ferien sind, viele Läden und Restaurants geschlossen bleiben und Touristen orientierungslos durch verlassene Straßen irren. Sogar die lassen sich jetzt kaum noch blicken. Schaulustige auf der Piazza Duomo kann man an einer Hand abzählen. Die Stadtreinigung nimmt sich Zeit, in aller Ruhe werden die Mülleimer geleert, die an jeder Ecke stehen. Mailand macht einen aufgeräumten Eindruck.

Abends wird es nun doch etwas gespenstig. Ab 18 Uhr ist alles zu. Auf dem Corso Buenos Aires fahren kaum noch Autos. Man muss beim Überqueren der leeren breiten Straße nur aufpassen, dass man nicht durch einen der rider von Uber eat mit ihren klobigen Warmhaltekisten auf dem Rücken angefahren wird. Die haben es eilig. Das Essen auf zwei Rädern darf nicht kalt werden. Ein mies bezahlter Job für extracomunitari,  für nicht EU Ausländer.

Wird fortgesetzt