SCHWARZES GETRÄNK


Venedig und der Caffè (1): Vor 300 Jahren wurde das „Florian“ gegründet. Das heute älteste Kaffeehaus Italiens war ein Treffpunkt von Intellektuellen wie von Patrioten. Inzwischen ist es ein Touristenziel. Doch wegen Covid bleibt es vorerst geschlossen

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Eleganz mit Maske, aber in besseren Zeiten – im Spätsommer 2020, als auch im „Florian“ die Welt wieder (fast) in Ordnung schien

Mailand/Venedig – In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts überschwemmte ein Modegetränk Europa: der Kaffee. Eines der wichtigen Handelstore nach Europa für die aus dem Orient stammenden Bohnen war Venedig. Das Caffè Florian am Markusplatz hätte jetzt seine Gründung vor 300 Jahren feiern können. Hier trafen sich Einheimische wie Durchreisende, Intellektuelle wie Patrioten. Balzac notierte: „Das Florian ist zugleich eine Börse, ein Theaterfoyer, ein Leseraum, ein Klub, ein Beichtstuhl.“ Heute ist das inzwischen älteste Caffè Italiens vor allem Ziel betuchter Touristen. Doch zum Jahrestag am 29. Dezember blieb es den Covid-Regeln nach geschlossen. Unsicher, wann es wieder Gäste empfangen wird.

Die Kaffeemode kam, angeregt durch den Orienthandel, bereits im 17. Jahrhundert nach Venedig. Botschafter der Serenissima hatten von der Sitte der Orientalen berichtet, sich mit einer „negra bevanda“, einem „schwarzen Getränk“, zu stärken. Was man zunächst für eine medizinische Flüssigkeit zur Linderung von Magenschmerzen hielt, bot man ab 1683 in einem öffentlichen Ausschank auch der Bevölkerung an. „All’Arabo“ hieß der erste Kaffeeladen am Markusplatz, wo es bald Dutzende Läden und kleine Ausschänke gab. Es öffneten damals so vielen Kaffeehäuser, dass der Senat der Lagunenstadt ihre Anzahl begrenzen musste.

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Frühstück bei Florian

Der junge Unternehmer Floriano Francesconi hatte Glück, er bekam die Genehmigung für die Einrichtung eines Caffès, das er stolz „Alla Venezia trionfante“ nannte. Aber den Venezianern war der Name viel zu lang. „Andemmo bere il caffè da Floriànn“, hieß es bald nur knapp. So erzählt es jedenfalls Stefano Stipitivich, Lokalhistoriker in Venedig und kultureller Direktor eines Unternehmens, das mit der Marke „Florian“ heute über den Internethandel mit der ganzen Welt verbunden ist. Und in Taiwan sogar Dependenzen eingerichtet hat.

Debatten im Kaffeehaus

Kaffee hält wach und schläfert anders als Wein nicht ein. Im 18. Jahrhundert wurde er, zumal er preiswerter war als es etwa heiße Schokolode, zum Getränk der Dichter und Denker. Und die Kaffeehäuser wurden ihr Treffpunkt. Das Florian entwickelte sich zum Mittelpunkt venezianischer Intellektueller wie Giacomo Casanova, den Brüdern Gozzi  – Gasparo Gozzi  vertrieb von hier aus die erste Tageszeitung der Lagunenstadt  – ,  oder dem Dramaturgen Carlo Goldoni, der mit Carlo Gozzi endlos Debatten über die Commedia dell’arte führen konnte. In seinem Theaterstück La Bottega del Caffè  lässt Goldini einen Caffè-Besitzer sagen lässt: „Mein Beruf ist notwendig für den Ruhm unserer Stadt, für die Gesundheit der Leute und für das ehrenhafte Vergnügen derer, die ein wenig Abwechslung brauchen.“

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Caffè mit Musik

Ob das Vergnügen immer so ehrenhaft war? Jedenfalls wurde im Jahr 1767 Frauen in Venedig der Zutritt untersagt – zu ihrem Schutz, wie es hieß. Später wurden für sie Zimmer reserviert, in den allerdings nicht geraucht werden durfte. Anfangs waren die Caffès in niedrigen, schlecht beleuchteten Räumen ohne Fenster untergebracht und glichen eher finsteren Tavernen. Dann aber wandelten sie sich einigen von Ihnen nach und nach in ansehnliche Salons. Hier wurde auch Politik gemacht. 1848, als die Österreicher in Venedig herrschten, sprang Daniele Manini auf einem Tisch des Florian und rief die Republik aus. Stefano Stipitivich kann sich die spitze Bemerkung nicht verkneifen, dass die Patrioten im Florian gastierten – die Österreicher aber gegenüber im Caffè Quadri.

In Gold eingefasste Spiegel

Die prächtige Ausstattung des Lokals entstand dann nach einer radikalen Umgestaltung Mitte des 19. Jahrhunderts. Stefano Stipitivich: „Es heißt dass man mit dem Geld dafür einen neuen Palazzo am Canal Grande hätte bauen können. All das Blattgold, die Täfelungen, der Marmor, die Deckenfresken, das muss ein Sündengeld gekostet haben.“ Heute sitzen die Gäste, wenn die Witterung es erlaubt, an weiß gedeckten Tischen auf der Piazza und werden von elegant gekleideten Kellnern bedient. Dazu spielt live ein kleines Drei-Mann-Orchester. Die Besucher der Innenräume wirken manchmal etwas eingeschüchtert angesichts der vielen in Gold eingefassten Spiegel, den mit Blättern umrankten Porträts aus dem 19. Jahrhundert, den bunten Glasmosaiken, dem kleinen Chinasaal oder dem prächtigen Jugendstilzimmer.

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Etwas Besonderes war schon immer teurer – Wohlsein am Markusplatz

In den glanzvollen Räumen am Markusplatz wurde 1895 die Idee geboren, alle zwei Jahre eine internationale Kunstausstellung zu veranstalten – die Biennale von Venedig. In Erinnerung daran zeigt das Caffè zu den jeweiligen Biennalen immer kleine Ausstellungen von eigens für das Unternehmen „Florian“ entworfene Design-Objekte. Das Caffè Florian ist inzwischen im Besitz einer Gruppe von Unternehmern, zu denen die Familie der Modedesigner Fendi gehört. Das Florian verteidigt 300 Jahre nach der Gründung mit stolzen Preisen seinen inzwischen erworbenen Ruf als Luxus-Caffè. Und die Besucher würden sich dieses Vergnügen gerne etwas kosten lassen, wenn Covid nur wollte.

Info Caffè Florian hier

Zum Thema „Venedig und der Caffè“ folgt ein zweiter Beitrag

Siehe auch den Beitrag „Das Kalenderblatt“ im Deutschlandfunk am 29.12.20