Wie Mailand auf ein neues Designmuseum hofft, das ein Zeichen neuer Nachdenklichkeit setzen will, während der „Fuorisalone“ nur digital stattfinden kann
Mailand – Nach der Pandemie ist vor der Pandemie – oder wird dann nichts mehr so sein, wie es vorher war? Die Stimmung in der italienischen Architektur- und Designszene schwankt zwischen neuem Denken und die Hoffnung, den Boden nicht unter den Füßen zu verlieren. Und hier richten sich alle Blicke auf Mailand, das mit seinen Möbel- und Einrichtungsbetrieben in der Stadt und in der Region, seinen Architekturbüros sowie seinen Ausbildungs- und Ausstellungseinrichtungen für eine in der Welt wohl einmaligen Verzahnung von Unternehmen, Planern/Gestaltern und Kommunikatoren steht. Doch vielen Betrieben steht wirtschaftlich das Wasser bis zum Hals, Schulen und Akademien halten sich mühsam mit Distanzunterricht am Leben und Einrichtungen wie der Salone der Mobile, der im vergangenen Jahr ganz ausgefallen war, musste 2021 vom traditionellen Apriltermin auf den Spätsommer (5. bis 10.9.) verschoben werden.
Es sind stille Tage im April jetzt in Mailand, wenn die Designerwoche (12.bis 18.4.) und der „Fuorisalone“ nur digital (hier das Programm) stattfinden ohne die rund 370.000 Messebesucher aus über 180 Ländern und ohne die vielen Gäste, die ganze Stadtviertel zwischen der Zona Tortona, Brera und dem Lambrate District mit ihren Nebenveranstaltungen in ein seit der Jahrtausendwende überbordendes Kreativfestival verwandelt hatten. Doch mehren sich die Stimmen, die dies auch als Chance verstehen, in Zukunft die Klasse vor Masse zu fördern. Die Stadtverwaltung, die in Sachen Kulturpolitik und dem Zusammenspiel von Öffentlich und Privat einen Vorreiterrolle in Italien spielt, will gerade hier fördernd wirken. Das zeigt sich zum Beispiel in dem Museumsprojekt des „ADI Compasso d’Oro“, das nur noch auf erste Lockerungen bei Besucherregelungen wartet, um sich dem Publikum zu präsentierten.
In einer umgebauten, spektakulären Industrieanlage in der Via Ceresio am Rand der Innenstadt – zunächst Depot der Pferdebahn, später Zentrale für Stromenergie – ist auf einer Grundfläche von rund 5100 Quadratmetern ein neues Designmuseum in der Zusammenarbeit von Stadt Mailand, Region Lombardei und der nationalen Vereinigung für Industriedesign ADI entstanden. Die ADI vergibt nach einer Idee von Gio Ponti seit 1954 den Premio Compasso d’Oro (Goldener Kompass) neuerdings im Zweijahresrhythmus an jeweils zwischen zehn und zwanzig Preisträger. Das Museum stellt nun 2500 prämierte Objekte, Dokumente, Fotos etc vom Schreibstift Tratto Pen bis zum Fiat 500 in einem kommentierten Zusammenhang aus. Dazu sind Einzelausstellungen geplant.
Die Eröffnung des neuen Museums, das damit die feste Sammlung des Museo del Design Italiano in der Triennale ergänzt, wird in Mailand als Hoffnungszeichen gesehen, dass die Stadt auch nach der Pandemie im Zeichen neuer Nachdenklichkeit weiterhin eine führende Rolle spielen kann.
Info ADI Designmuseum