Venedig atmet in den kürzlich restaurierten Giardini Reali im Rücken des Markusplatzes frühlingshaft auf – noch aber fehlen die Besucher aus aller Welt
Venedig – Aufatmen, Luftholen, Frühling nach dem langen Winter der Pandemie. Auch wenn die Lagunenstadt kulturell weiterhin im Dornröschenschlaf vor sich hindämmert und viele Einrichtungen zu Ostern geschlossen sind. Die Natur ist dagegen aufgewacht in einem neuen alten Garten: in den Giardini Reali, die im Rücken der Procuratie Nuove sich längs der Uferbefestigung beim Anleger S.Marco erstrecken. Ein Garten, den Touristen meist (noch) übersehen, weil sie es eilig haben, auf den Markusplatz zu kommen, statt in diese Oase der Ruhe einzutauchen. Narzissen und Tulpen blühen unter Feigenbäumen, Glyzinien leuchten an einer alten Pergola, bedächtig schwanken Bambusblätter. Steineichen werfen Schatten, Bitterorangen glänzen unter blauem Himmel und eine immergrüne Lorbeerhecke schützt wie ein natürlicher Deich vor der Lagune und dem – in covidfreien Zeiten hektischen – Treiben am Uferweg.
Man flaniert die Wege auf und ab oder sitzt auf Bänken. Vor einem neoklassizistischen Pavillon, in dem ein elegantes Caffè eingerichtet wurde, stehen kleine Tische. Manchmal kann man hier die Wahl-Venezianerin Adele Re Rebaudengo treffen, der die Renaissance dieser kleinen Wunderwelt zu verdanken ist.
Als Napoleon sich Venedig untertan machte, zog er nicht in den Dogenplatz, sondern ließ die Amtsstuben und Säle der Neuen Prokuratorien an der Piazza San Marco zu seinem „Palazzo Reale“ umrüsten. Alte Kornspeicher wurden 1807 abgerissen, um im Rücken des Gebäudes Blick auf die Lagune zu haben. Ein Garten stellte auf dem freien Gelände die Verbindung von Ufer und Palast her. Zur Anlage sollte ein Pavillon gehören, ein privates Caffè, das aber erst 1816/17 errichtet wurde, als die Österreicher Napoleon beerbt hatten und die Herrschaft über die Lagunenstadt antraten. Sie ließen das neue Kaffeehaus für alle Bewohner und Besucher öffnen, das sich damit in die Kaffee-Tradition Venedigs eingliederte.
Die grünen Seiten der Lagunenstadt
Aber Gartenland und Kaffeehaus gerieten später im steigenden Tourismustaumel ins Abseits. Mal richtete man im Pavillon einen Terminal für den Flughafen ein, mal nutzte man ihn als Informationsbüro für den Fremdenverkehr. Die Giardini Reali wurden Jahrzehnte lang wenig bis gar nicht gepflegt und verkamen langsam. 2014 erhielt die Venice Gardens Foundations für 19 Jahren eine Konzession zum Betreiben der Gärten mit der Auflage, die Anlage zu restaurieren. Die Stiftung geht auf eine Initiative von Adele Re Rebaudengo zurück, die einer piemontesischen Unternehmerfamilie adeliger Herkunft entstammt aber in Venedig ihren Lebensmittelpunkt gefunden hat, während ihr Bruder mit seiner Frau in Turin eine große Kunststiftung unterhält und ihr Enkel in London eine Galerie betreibt. Mit Eigenmitteln der Stiftung, aber auch mit Sponsoren und staatlichen Geldern konnten die Giardini nach fünfjähriger Arbeit unter der Leitung des Gartenarchitekten Paolo Pejrone in freier Interpretation alter Pläne wieder hergestellt und im Dezember 2019 eröffnet werden (- hier der Bericht von Petra Schaefer). Autochthone Pflanzen wechseln mit Anklängen von Gewächsen aus dem Nahen Osten und lassen so die historische Rolle Venedigs und seines Orienthandels in einer Symphonie von angeblich 33 verschiedenen Grüntönen erklingen.
Jetzt zu Ostern 2021 können – bis auf wenige Ausnahmen – nur die Venezianer selber und Gäste aus der Region die Gartenanlage genießen. Im Mai, der angeblich alles neu macht, so die Hoffnung, wird Venedig wieder für Besucher aus der Ferne offen sein. Denen man dann die Muße wünscht, auch die grünen Seiten der Lagunenstadt zu entdecken.