VOLLGESTOPFT MIT BILDERN, BÜCHERN UND STATUEN


Junge italienische Kunst in der Mailänder Wohnung
des Sammlers Volker Feierabend

copyright MART / Rovereto

Der Sammler und Mäzen Volker Feierabend in Mailand

Mailand (5.02.2014) Kunst treibt schon die merkwürdigsten Blüten. Und wenn man sich, wie der Sammler Volker Feierabend, der Kunst eines ganzen Jahrhunderts, des 20. Jahrhunderts in Italien verschrieben hat, dann purzeln Stile und Formate durcheinander. Landschaftsbilder in Brauntönen hängen in seiner Mailänder Wohnung neben surrealistischen Motiven in schwarz-weiß. Eine Spielzeug-Hundehütte mit Glockenturm und der Aufschrift „My Dog is my God“ wird von einer kleinen Glasvitrine geschützt. Oder eine Krankenhausspritze, in die eine Miniatur von Munchs Gemälde „Der Schrei“ montiert ist, ist wie ein Gemälde umrahmt.

Die VAF-Stiftung und ihr Preis
Der als pressescheu geltende Hausherr will auf den ersten Blick so gar nicht dieses wunderkammerartige Ambiente passen, wo es in jeder Ecke etwas zu entdecken gibt. Der schlanke, hochgewachsene Mann, dem man die 80 Lebensjahre nicht ansieht, bewegt sich preußisch zurückhaltend, fast schüchternd zwischen seinen Schätzen. Und gleichsam entschuldigend sagt er, „viele der Werke in diesen Räumen sind Geschenke von Künstlern.“ Der aus Berlin stammende Unternehmer, der in Frankfurt mit einem Im- und Export-Handel von Modeartikeln sein Glück gemacht hat und heute hier in Mailand lebt, hat  jahrzehntelang Kunstwerke ausgewählt und gekauft. Sie sind inzwischen in die Stiftung V(olker) A(urora) F(eierabend), die er zusammen mit seiner sizilianischen Frau Aurora gegründet hat, eingeflossen. Die VAF-Stiftung mit Sitz in Frankfurt unter Leitung von Klaus Wolbert hat zur Aufgabe, mit Leihgaben und Ausstellungen italienische Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts in Europa und besonders in Deutschland bekannt zu machen. Dazu gehört seit 2001 ein Preis für junge Künstler (unter vierzig Jahren), der alle zwei Jahre verliehen wird. Die diesjährige Auswahl von 15 Künstlern mit rund 40 Arbeiten ist  unter dem Titel Aktuelle Positionen italienischer Kunst“ im Schauwerk Sindelfingen zu sehen.

Katalog der VAF-Stiftung

Katalog der VAF-Stiftung

Angefangen hatte die Leidenschaft für die Kunst „mit der Heirat 1972 und einer leeren Wohnung in Mailand“, wie Feierabend erzählt. Zunächst kaufte das Paar rund 30 Gemälde aus Renaissance und Barock. Doch die stellten sich bald allesamt als Fälschungen heraus. Lieber sich ganz der Gegenwart widmen, sagte sich Feierabend, und zahlte für Künstler wie Ernst, Mirò oder Kandinsky. „Doch das war eine bunte Mischung und keine Sammlung“, erzählt er heute. Worauf sich konzentrieren? Auf deutsche Kunst? „Zu teuer und bereits zu breit gesammelt.“ Osteuropäische Kunst? „Damals trennte noch der Eiserne Vorhang die Welten.“

Persönliche Kontakte mit den Künstlern
Also, das Gute lag so nah, italienische Kunst war bis auf wenige Strömungen international wenig bekannt und noch zu vernünftigen Preisen zu haben. Anfangs konzentrierte man sich auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts, des „Novecento“, wie man in Italien sagt. Bilder des Mailänders Vittorio Viviani zum Beispiel. Viviani war fast ein Familienmitglied: Die Schwester von Aurora war mit dem Sohn des Malers verheiratet. Viele Arbeiten der ersten Zeit stammen von Agenore Fabbri, den Volker Feierabend wie einen Vater verehrte und regelmäßig in seinem Mailänder Atelier im Corso Europa besuchte. Die persönlichen Kontakte mit Künstlern wuchsen in den 70er und 80er Jahren, zu Renato Guttuso etwa, Mario Tozzi, auch zu Giorgio de Chirico bis zu seinem Tod 1978 – „aber der hatte einen eher schwierigen Charakter.“ Nach und nach kam dann die Gegenwartskunst dazu. Mit der allerdings, so gibt des Sammler zu, könne seine Frau sich bis heute weniger anfreunden, „die hält es lieber mit dem frühen Novecento.“

copyright Cluverius

Der Sammler auf einer Ausstellung seiner Bilder in der lutherischen Kirche Mailands

Bald war die Wohnung voll und man konnte nichts mehr hängen. Volker Feierabend suchte die Zusammenarbeit mit deutschen Museen wie dem Städel in Frankfurt, dem Museum Ludwig in Köln oder dem Lehmbruck-Museum in Duisburg. im Jahr 2000 gründete er dann zusammen mit Aurora die Stiftung, weil das Erbe „irgendwie zusammen bleiben sollte.“ In dieser hochkarätigen Sammlung mit inzwischen über 2000 Werken von rund 350 Künstlern sind viele Kunstströmungen der italienischen Moderne und der Gegenwart von den Futuristen an vertreten. Ein großer Teil der Sammlung mit fast 1000 Werken ist dann ins neue Kunstmuseum Mart gewandert, für das Mario Botta im norditalienischen Städtchen Rovereto (zwischen Trento und Verona) einen eindrucksvollen Neubau geschaffen hat. Daniela Ferrari, die dafür zuständige Kuratorin des Mart, nennt Feierabend eine im Kunstbetrieb „hybride Persönlichkeit“: teils Kaufmann, teils Kenner und Sammler. Einer, der sich gleichsam ein eigenes Museum nach seinen Geschmacksvorstellungen eingerichtet hat.

Die Fotografie ist ihm nicht geheuer
Im imaginären Museum von Volker Feierabend geht es dabei weniger um eine Ansammlung von Meisterwerken (die er auch gefunden hat), sondern um Breitenwirkung. Künstlerstars wie Maurizio Cattelan oder Vanessa Beecroft sind ihm zu teuer. Auf Arbeiten der Arte Povera, die bereits vielerorts repräsentativ ausgestellt werden, hat er ebenso verzichtet. Und die Vertreter der sogenannten Transavanguardia wie Sandro Cucchi oder Mimmo Paladino? Die mag er nicht. Da verzieht er das Gesicht. Da geht es ihm wie mit der Fotografie – auch die ist ihm nicht geheuer. „Wer weiß, ob man nach hundert Jahre überhaupt noch etwas auf den Abzügen erkennen.“

Er mag Bilder, „die auch etwas fürs Auge“ bieten. Wie das merkwürdig entrückt anmutende Bild einer halbnackten jungen Frau in einem balkonartigen Raum, die sich den langen Haarzopf kürzen lässt. Die Arbeit einer Absolventen der Mailänder Brera-Akademie, hängt über dem Arbeitstisch eines mit Bilder, Katalogen und Statuen vollgestopften engen Raumes der Mailänder Wohnung. Er möchte sie für den nächsten VAF-Preis vorschlagen. Aber er hat nur eine Stimme im Gremium der Stiftung und fürchtet die Reaktion seiner Kollegen, ob die das Bild wohl akzeptieren? „Die sind meiner Meinung nach viel zu intellektuell.“ Kunstsammeln, so scheint er sagen zu wollen, hat vor allem etwas mit Bauchgefühl zu tun.

Info VAF-Stiftung

Siehe auch die News zum VI. VAF-Preis 2014 bzw. zum VII. VAF-Preis 2016