Was bleibt vom Leonardo-Jahr (2): Die Präsentation der Madonna Litta im Museo Poldi Pezzoli und die neue feste Leonardo-Ausstellung im Mailänder Technik- und Technologiemuseum
Mailand – Vom Leonardo Jahr 2019 aus weisen Spuren in die Zukunft. Zum Beispiel mit einer kleinen aber äußerst feinen Ausstellung im Museo Poldi Pezzoli über die Madonna Litta und die Rolle der Werkstatt. Und das Mailänder Technikmuseum, das in seinem Namen Museo Nazionale Scienza e Tecnologia Leonardo da Vinci den Künstler, Ingenieur und Wissenschaftler ehrt, hat gerade seine feste Maschinen- und Dokumentensammlung neu geordnet und präsentiert sie jetzt aufwändig und zeitgemäß mit viel digitaler Technik.
Die Ausstellung Leonardo e la Madonna Litta haben Pietro C. Marani und Andrea Di Lorenzo eingerichtet. Um die bezaubernde Arbeit aus der Eremitage von St. Petersburg herum werden 20 Exponate (Gemälde und Zeichnungen) aus der Werkstatt Leonardos gezeigt. Während die Eremitage von einer alleinigen Autorenschaft des Meisters aus Vinci ausgeht, wiegt in der Fachdiskussion die Zuschreibung an einen Mitarbeiters bei möglichen Hilfestellungen Leonardos vor, wobei vor allem die Namen Marco d’Oggiono und Giovanni Boltraffio genannt werden.
Leonardo selbst schreibt in einer Notiz, dass er in Mailand an die sechs „Münder“ – das heißt Mitarbeiter – zu stopfen hat. Um zur Klärung beizutragen, wer dieser „Münder“ an der Madonna Litta beigetragen hat, zeigt das Museo Poldi Pezzoli jetzt Arbeiten dieser und anderer Mitarbeiter Leonardos aus den späten 1480er Jahren sowie den 1490er Jahren, als das als 42 x 33 cm kleine Andachtsgemälde in Mailand entstand.
Das Markenzeichen der Werkstatt
Deutlich wird in diesen durchgängig hochqualifizierten Arbeiten, wie genau innerhalb der Werkstatt bei einzelne Kompositionen Stoffgestaltungen oder Haltungen studiert, weitergereicht und ausgetauscht wurden. Und es galt, wie in allen anderen Werkstätten der Renaissance, wenn ein Bild nach außen gegeben wurde, der Name des Meisters als Markenzeichen.
So auch für die Madonna Litta, die bis ins 19. Jahrhundert in Mailand in verschiedenen Adelssammlungen nachgewiesen werden konnte. Zuletzt in der der Familie Litta Visconti Arese in ihrem Palazzo am Corso Magenta, nach der sie heute noch benannt ist. 1865 wurde sie dann nach St. Petersburg verkauft. Aus der Litta-Sammlung stammt ebenso die sogenannte „Madonna del fiore“ von Boltraffio (entstanden um 1488), die heute zu den Schmuckstücken des Museo Poldi Pezzoli zählt.
Der mit knapp gehaltenen aber präzisen Essays bestückte Katalog geht auch auf das von der Fondazione Bracco unterstützte Forschungsprojekt „Leonardeschi oltre il visibile“ ein, mit dem einige der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten einer technisch-wissenschaftlichen Prüfung unterzogen wurden. Dabei werden auch die Methoden deutlich, die bei einer Zuschreibung an einen Autor zum Einsatz kommen. Diese Ergebnisse sowie die Dialektiken innerhalb der Werkstatt Leonardos sollen auf einer demnächst zu veranstaltenden Tagung diskutiert werden.
Wissenschaftlich und publikumsfreundlich
Das spannende dieser Ausstellung ist, dass sie sich bei aller wissenschaftlichen Ausrichtung auch einem breiteren Publikum nicht verweigert. Umgekehrt kann man von den neuen Gallerie Leonardo da Vinci im Technikmuseum sagen, dass sie bei aller publikumswirksamen Präsentation sich der wissenschaftlichen Genauigkeit nicht entziehen. Zu sehen rund 170 Exponate (darunter historische Modelle und Faksimile, die auf eine Ausstellung von 1953 zurück gehen, Fresken, Reproduktionen, Drucke, zeitgenössische Bücher sowie 39 multimediale Installationen). Angeblich ist das die größte Leonardo gewidmete feste Ausstellung auf der Welt.
Ein langer, vielseitiger Spazierung durch die Renaissancezeit, ihre Ideen, Diskussionen und Projekte erwartet den Besucher. Die Titel der zehn Stationen: „Ingenieure oder Künstler“, „Zeichnen, um die Welt zu verstehen“, „Kriegskünste“, „Das Theater der Maschinen“, „Der Geist des Machens“, „Der Traum vom Fliegen“, „Ideale Städte, perfekte Körper“, „Wasserwege“, „Von Leonardo inspiriert“, „Mensch und Kosmos“.
Kein isoliertes Genie
Leonardo, so wird deutlich, ist kein isoliertes Genie, sondern lebt, arbeitet, denkt in stetigem Austausch mit einer Welt, in der Handwerk, Wissenschaft und Kunst ineinander fließen. Kein Geist, der seiner Zeit voraus war, sondern der den Höhepunkt des Zeitgeistes widerspiegelt. Claudio Giorgione, Kurator des Mailänder Technikmuseums, nennt die Gallerie im dazu veröffentlichten Katalog ein Ergebnis zehnjähriger Recherchen zur Geschichte der Sammlungen des Museums in Verbindungen mit jüngsten wissenschaftlichen Forschungen um das Werk Leonardos „als Humanist, Ingenieur und Naturforscher“ zu präsentieren. Nur wenn man es aus der Isolation des angeblichen Genies befreie, könne man „die einzigartigen und innovativen Seiten seines Denkens“ würdigen, „die uns heute noch anregen können.“
Leonardo e la Madonna Litta. Museo Poldi Pezzoli, Mailand, bis 10.2.2020. Tgl außer Di 10 bis 18 Uhr (Sa bis 21 Uhr). Katalog (Skira, Mailand) 29 Euro. Info hier
Le Gallerie Leonardo da Vinci. Museo Nazionale Scienza e Technologia Leonardo da Vinci, Mailand. Tgl. (außer Mo) 9.30 bis 17 Uhr, Sa + So bis 18.30 Uhr. Katalog (antiga edizioni) 13 Euro. Hier zum Video