WENIG MUT ZUR GEGENWART


Die von Isozaki entworfene Loggia für die Uffizien lässt Florenz nicht zur Ruhe kommen

Aus dem Jahr 1998: Das Projekt von Arata Isozaki

Aus dem Jahr 1998: Das Projekt von Arata Isozaki

Florenz – Kinder, wie die Zeit vergeht – und doch alles beim Alten bleibt! Im schönen, stolzen Florenz denkt man nun schon seit 18 Jahren darüber nach, ob ein zweiter Zu- beziehungsweise Ausgang auf der Rückseite der Uffizien gebaut werden soll oder nicht. Arata Isozaki hatte sich 1998 zusammen mit seinem Kollegen Andrea Maffei bei einer internationalen Ausschreibung gegen illustre Kollegen wie Mario Botta, Norman Foster oder Hans Hollein mit dem Entwurf einer hohen Loggia durchgesetzt. Mit toskanischem Sandstein verkleidete Stahlträger würden dabei ein transparentes Oberlicht aus Polycarbonat tragen. Mit der „pietra serena“, dem toskanischen Sandstein, soll auch die leicht ansteigende Fläche gepflastert werden, die das Gefälle zwischen dem Niveau der Piazza und dem des Erdgeschosses der Uffizien ausgleicht. Gegenwart (im Entwurf) und Tradition (im Material) geben sich bei Isozaki die Hand. Im Jahr 2001 kam es zu einem ersten Vertrag zwischen dem japanischen Architekten und der Stadt bzw. dem italienischen Kulturministerium.

Ein politisches, kein ästhetisches Problem

Doch dann begann immer mehr Stimmen sich gegen den „modernistischen Eingriff“ in das Stadtbild von Florenz zu wehren. Archäologische Ausgraben verzögerten das Projekt und schließlich erklärte die Denkmalschutzbehörde, es habe sowieso keinen Vorrang. Die Bürgermeister wechselten wie die Kulturminister und die Vorsitzenden des Denkmalschutzamtes auch – das Projekt blieb derweil ein nicht verwirklichtes Projekt. Inzwischen haben die Uffizien einen neuen, höchst rührigen Chef. Der Freiburger Kunsthistoriker Eike Schmidt, seit einem Jahr Herr der berühmtesten Kunstsammlung Italiens, mag keinen Stillstand. Der 50jährige hat die Ausweitung der Ausstellungsflächen zügig fortgesetzt, bekämpft den schwarzen Handel um die Eintrittskarten und ist dabei den Vasari-Korridor über den Arno wieder für Besucher zu öffnen – als ersten Schritt für kleine Gruppen innerhalb einer Führung.

Und interessante Pläne sollten nicht in Schubladen veralten. Die Loggia von Isozaki sei längst kein „ästhetisches Problem“ mehr, so der Direktor der Uffizien, sondern „ein politisches“. Gegen Geraune und Mauscheleien könne eine klare Aussage helfen: Ein Referendum, in dem die Bürger der Stadt sich für oder gegen das Projekt aussprechen können. Und dann dementsprechend gehandelt werden könne. In der Stadt am Arno sind jetzt die alten Fraktionen der Für- und Gegensprecher wieder in Stellung gegangen. Das Büro Isozaki begrüßt die neue Diskussion und beklagt, dass das Ministerium seit sieben Jahren keinen Kontakt mehr zum Architekten – mit dem immerhin ein Vertrag besteht – gesucht habe.

Umstritten: eine Arbeit von Ai Weiwei am palazzo Strozzi

Umstritten: eine Arbeit von Ai Weiwei am Palazzo Strozzi

Doch Florenz tut sich schwer im Umgang mit der Kunst der Gegenwart. Im Palazzo Strozzi ist zurzeit eine große Ausstellung von Arbeiten mit Ai Weiwei zu sehen (bis zum 22. Januar). Dafür hat der Künstler einige Fenster der Fassade der Renaissancepalastes mit knallroten Schlauchbooten eingefasst, die auf die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer anspielen. Schlauchboote am historischen Gebäude? Eine Protestwelle rollte durch die lokalen Medien und die sozialen Netze. Dabei stünde Florenz mehr Mut zur Gegenwart gut zu Gesicht.