Thesy Kness-Bastaroli über Bewegungen in Italiens Weinwirtschaft zu Coronazeiten: Konsolidierung, Diversifikation im Vertrieb und mehr Mode-Unternehmen als Teilhaber
Mailand – Nach einem Rekordjahr 2019 wird die italienischen Weinwirtschaft im laufenden Jahr erhebliche Einbußen verzeichnen. Doch Panikstimmung sei falsch am Platz, meint Sandro Sartor, Generaldirektor des toskanischen Winzerbetriebs Ruffino. Von der Krise betroffen sind vor allem jene Firmen, die ihren Vertrieb auf das Gaststättengewerbe fokussierten. Der Fachverband Federvini schätzt den durch den Lockdown bedingten Schaden in diesem Spezialsektor, der über die Hälfte des gesamten Vertriebs ausmacht, auf 350 Millionen Euro pro Monat.
Im gesamten Jahr wird ein Verkaufsrückgang im Gaststättengewerbe zwischen 3 und 4 Milliarden Euro erwartet. Doch dieser Rückgang soll unter anderem durch den in den letzten Wochen übermäßig stark gestiegenen Heimkonsum wettgemacht werden. So hat sich der Wein-Verkauf in Super- und Großmärkten um über zehn Prozent erhöht. Der Online Vertrieb boomt. Donnafugata aus Sizilien berichtet über plus 200 Prozent Zunahme des Online-Verkaufs und bastelt derzeit an einer eigenen E-Commerce-Plattform. Sie führen damit einen neuen Trend an.
Die Mode geht shoppen
Das Coronavirus sorgt in der italienischen Weinwirtschaft für Bewegung. So ist derzeit ist eine deutliche Vertriebs-Diversifikation sichtbar. Der wertmäßige Anteil des Gaststätten-Vertriebs von 55 Prozent am inländischen Gesamtverkauf soll erheblich reduziert, der OnlineVertrieb zweistellig erhöht werden. Die bereits angebahnte Konsolidierung der Branche hat sich in letzter Zeit intensiviert. Neue Player aus dem Mode- und Finanzbereich spielen eine wachsende Rolle. Benetton hat sich beim Weingiganten Zonin 1821 mit 30 Prozent eingekauft, Modestar Renzo Rossi hat kürzlich 5 Prozent des börsennotierten Masi-Weinunternehmens übernommen und das Designer-Paar Dolce&Gabbana kooperiert mit dem sizilianischen Winzerbetrieb Donnafugata. Vorerst beschränkt sich die Zusammenarbeit auf das Marketing, auf den Entwurf einer Etikette für den neuen Rosé. Der Mischkonzern De Agostino aus Novara hat Anteile bei einem der größten privaten Winzerbetriebe, Botter aus Venetien, übernommen. Der Private Equity Fonds Clessindra denkt ebenfalls über ein Engagement bei Botter und deren Börsengang nach.
Campari und die Edelperlen
Zahlreiche Branchenunternehmen nutzen die derzeitige Krisensituation und nehmen diese als Gelegenheit wahr, um zu wachsen. Das Trientiner Konsortium Cavit befindet sich nach der Akquisition von Cesarini Sforza, Casa Girelli und Giv weiterhin auf Einkaufstour. Auch der Winzerbetrieb Caviro schaut sich nach günstigen Gelegenheiten um. Der Aperitif Hersteller Campari hat erst jüngst die französische Champagne Firma Lallier übernommen. Campari Chef Bob Kunze Concewitz schließt weitere Übernahmen nicht aus. Er verweist darauf, dass die Mailänder bereits während der Krise 2001, nach dem Attentat in New York, die Wodka Firma Skyy und nach der Lehman Krise 2009 den Bourbon Wild Turkey übernommen hatten.
Förderung von Bio-Weinen
Italiens ist der weltweit größte Weinproduzent (55 Millionen hl), vor Frankreich und Spanien. Nun fordert der Präsident des Fachverbandes Federvini, dass nicht nur Marketing Initiativen sondern auch die Produktion mit EU-Mitteln unterstützt werden soll. Zur Diskussion stehen Subventionen zu Gunsten der Qualitäts-Produktion. So soll unter anderem der Anbau von Bio-Weinen gefördert werden. Diese machen erst 5 Prozent der Produktion aus und waren im letzten Jahr mit zweistellige Wachstumsraten der Exportschlager schlechthin. Nach dem Coronavirus sind auch neue Exportinitiativen im Gang. Antonio Rallo, Präsident des Konsortium „Vini Doc Sicilia“ plant in China fester Fuß zu fassen. „China ist der erste Markt, der die Covid-Krise überstanden hat und wird auch der erste Markt sein, der sich erholt,“ begründet Rallo die mit dem Außenhandelsinstitut ICE geplante Exportinitiative in China.
Italien zählt nicht nur zu den zu den größten Herstellern sondern auch zu den größten Weintrinkern der Welt. Und während der Konsum von Aperitifs und hochprozentigen Getränken in den Corona-Wochen nachließ, hat sich zumindest der Heimkonsum von Wein erhöht. Jeder fünfte Italiener trinkt regelmäßig Wein. Übrigens, die Lombarden sind die größten Weinkonsumenten des Landes. Erhebungen nach habe sich hier der Weinkonsum trotz, möglicherweise auch wegen des Lockdown, während der Pandemie, „wesentlich“ erhöht.
Ein ähnlicher Text ist in der Schweizer „Handelszeitung“ erschienen