Rom/Turin/Mailand – Die italienische Zeitungslandschaft kommt in Bewegung. Die Espresso Gruppe (De Benedetti), zu der neben dem Wochenmagazin L’Espresso die Tageszeitung la Repubblica sowie 18 Regionalblätter gehören wird mit der Gruppe Itedi fusionieren, die die Tageszeitungen La Stampa (Turin) und il Secolo XIX (Genua) herausgibt. Das ist jedenfalls eine Absichtserklärung, die gestern am Mittwoch von beiden Partnern unterzeichnet wurde. Bis Juni soll die Fusion vertraglich abgeschlossen sein, operativ werden ab Frühjahr 2017. Repubblica und Stampa beherrschen zur Zeit rund 20 Prozent des Zeitungsmarktes, beide Gruppen bilden einen Umsatz von gegenwärtig 750 Millionen Euro. Hauptaktionär des neuen Medienpols wird die von De Benedetti kontrollierte CIR-Holding mit 43 Prozent. 47 Prozent wären frei auf dem Markt verteilt.
Zwischen Rom und Turin
Wie sich das auf die Strukturen der beiden Hauptblätter auswirken wird, muss sich erst noch zeigen. Sicher ist, dass beide Titel erhalten bleiben. Die Repubblica ist von ihrer Ausrichtung her eine Zeitung, die mit dem „Palazzo“, mit der römischen Politik eng verbunden ist. Sie spricht eine diffus linke bis linksliberale Leserschaft an, die sie auch von Zeitungen wie Paese Sera oder l’Unità übernommen hat. Zwei Traditionsblätter, die gleichsam an der Umarmung durch die Repubblica erstickt sind. Die Stampa ist dagegen stark mit ihrem piemontesischen Umfeld verbunden, liberal und wirtschaftsfreundlich orientiert.
Im Augenblick stehen aber noch ökonomische Verschiebungen im Vordergrund. Der Hauptaktionär FCA (FiatChryslerAutomobile) der Itedi-Gruppe hat angekündigt, sich ganz aus dem Mediengeschäft zurück zu ziehen. FCA wird seine Aktien auf die an ihm beteiligen Unternehmen verteilen. Das ist vor allem Exor, gleichsam der „Tresor“ der Familie Agnelli, der dadurch 5 Prozent Anteil an dem neuen Medienpol erhalten wird. FCA hält bislang aber auch eine Mehrheitsbeteiligung an der Mailänder RCS-Gruppe, die unter anderem den Corriere della Sera herausgibt. Durch die Weitergabe der Aktien würde Exor (Agnelli) auch hier zukünftig mit 5 Prozent beteiligt sein, doch haben die Turiner die Absicht, ihre Anteile beim Corriere nach und nach ganz abzustoßen.
Die verschleierte Katastrophe
In Italien werden gerade kräftig Jubiläen gefeiert. Die Repubblica wurde vor 40 Jahren gegründet, der Corriere della Sera kann sogar auf 140 Jahre Geschichte zurückblicken. Doch ist eigentlich niemand so recht zum Feiern zu Mute. Denn der Zeitungssektor erlebt eine dramatische Krise. Die beiden Hauptblätter Repubblica und Corriere haben in den vergangenen 15 Jahren ihre Auflagen mehr als halbiert. Mit schöngeredeten Zahlen (vertriebene Auflage statt verkaufter Auflage, hochgerechnete Leseranteile oder schwer zu bewertende Internetauftritte) hat man lange versucht, die Katastrophe zu verschleiern. Eine Talfahrt, die sich auch an den Daten (im Durchschnitt verkaufte Auflage am Kiosk) der vergangenen drei Jahre von Dezember 2012 auf Dezember 2015 ablesen lässt (Quelle ADS):
La Repubblica: von 330 Tausend auf 217 Tausend
Corriere della Sera: von 304 Tausend auf 213 Tausend
La Stampa: von 193 Tausend auf 140 Tausend
Il Secolo XIX: von 59 Tausend auf 45 Tausend
Schon sind aus dem rechten politischen Lager Stimmen zu hören, die über eine „Monopolstellung der linken Presse“ klagen. Und es wird gefragt, warum die Intellektuellen des Landes nicht gegen diesen Zusammenschluss so laut protestieren, wie sie es gegen den von Mondadori (Berlusconi) und RCS-Libri getan haben. Zurückhaltend bis kritisch wurde die Nachricht auch in den Redaktionsausschüssen der von der Fusion betroffenen Zeitungen aufgenommen.