Der amerikanische Künstler Nari Ward verwandelt auf Einladung der Fondazione Trussardi das Schwimmbecken eines Mailänder Freibades in einen goldglänzenden „Emergence Pool“
Mailand (Centro Balneare Romano bis 16.10.) – Golden schimmert die Wasseroberfläche des Mailänder Schwimmbads „Centro Balneare Romano“. Hunderte Rettungsdecken, wie man sie etwa von der Bergung von Flüchtlingen aus dem Mittelmeer kennt, bewegen sich sanft auf dem Wasser des Freibads. Manche Decken werden vom Wind angehoben, verschoben, so dass Helfer in Taucheranzügen ins Becken steigen und sie wieder in Position bringen. Emergence Pool nennt der amerikanische Künstler Nari Ward (geboren in Jamaika 1963) seine für die Stadt Mailand projektierte Installation. Sie ist der Höhepunkt einer kleinen, von Massimiliano Gioni kuratierten Ausstellung der Fondazione Nicola Trussardi mit dem Titel Gilded Darkness.
Das Freibad, 1929 im monumentalen Stil unter dem Faschismus errichtet, ist dem Gedenken eines Kriegshelden aus dem Ersten Weltkrieg gewidmet. Nari Ward setzt dieser Erinnerung eine ganz andere entgegen. In seinen Arbeiten benutzt er weggeworfene Materialien oder Gegenstände etwa aus Katastropheneinsätzen für szenische Installationen, um soziale und politische Themen unserer Zeit in den Vordergrund zu rücken – von Rassismus bis zu wachsenden sozialen Ungleichheiten, von der Armut bis zur Konsumkultur, von Migration bis zu Marginalisierung und Identität.
So beginnt die Mailänder Ausstellung mit einem seiner bekanntesten Werke, Amazing Grace (1993), das während seines Aufenthalts im Studio Museum in Harlem entstand und anschließend bei zahlreichen anderen Gelegenheiten in den Vereinigten Staaten und Europa präsentiert wurde. Für diese große Installation sammelte Ward mehr als 300 verlassene Buggys, die er in Form eines Schiffsrumpfes anordnete. Begleitet wird die Installation von der Stimme der Gospelsängerin und afroamerikanischen Bürgerrechtlerin Mahalia Jackson und dem Song „Amazing Grace“, der eng mit Ereignissen der Bürgerrechtsbewegung in den USA und den pazifistischen Demonstrationen der 1960er-Jahre verwoben ist
Zur Ausstellung gehören auch eine Reihe von neuen Produktionen, die von der Fondazione Nicola Trussardi in Auftrag gegeben wurden. In dem kleinen Park, der die alten Umkleideräume und das Schwimmbad miteinander verbindet, stellt Ward einen Wagen auf, der an den von den Straßenhändlern in Harlem erinnert. Anstatt Eis oder Saft zu verkaufen, sammelt und verkauft Wards Wagen mit dem Namen Radiant Smiles (2022) Lächeln. Die Zuschauer sind eingeladen, in Blechdosen zu lächeln, die von Passanten gekauft werden können. Die Dosen sind von der berühmten „Merda d’artista“ des Künstlers Piero Manzoni inspiriert, der in den 1960er Jahren in Mailand Fäkalien in Dosen verarbeitete und damit einen der bissigsten Kommentare zur Rolle der Kunst in der aufkommenden Konsumgesellschaft der Nachkriegszeit verfasste.
Die Fondazione Nicola Trussardi unter der Leitung von Beatrice Trussardi ist eine private, gemeinnützige Einrichtung, die wie ein mobiles Museum vergessene Orte und symbolische Räume in der Stadt Mailand wiederentdeckt und seit zwanzig Jahren internationale Künstler einlädt, in temporären Ausstellungen neue Nutzungen für Palazzi, Plätze, Kirchen, Denkmäler und andere Gebäude zu entwickeln. So u.a. Pawel Althamer, Maurizio Cattelan, Fischli und Weiss oder zuletzt 2020 Ragnar Kjartansson in der Kirche des ehemaligen Pest-Lazaretts (- siehe auf Cluverius u.a. „Der Himmel in einem Zimmer“).
Fondazione Nicola Trussardi: Nari Ward – Gilded Darkness. Centro Balneare Romano, Mailand, bis 16.10.22 tgl. 12-19 Uhr, Eintritt frei