Musik


Ein Gespräch mit dem Musikwissenschaftler Philip V. Bohlman, Balzan Preisträger 2022, über Volksmusik und Gesellschaft, den Eurovision Song Contest, Viktor Ullmann und den Begriff Rassismus Mailand/Rom – Der US-amerikanische Musikologe Philip V. Bohlman wurde kürzlich in Rom im Fachbereich Ethnomusikologie mit dem Balzan Preis 2022 ausgezeichnet. Der 70jährige Wissenschaftler lehrt und forscht an der University of Chicago, hat aber auch in Europa u.a. an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover sowie an den Universitäten Freiburg, Wien, Innsbruck oder Kassel unterrichtet. Der Preis der internationalen Balzanstiftung (Mailand/Zürich) wurde ihm, wie es in der Begründung der Jury heißt, „für seinen bahnbrechenden Beitrag zur Ethnomusikologie und zur Musikforschung im weiteren Sinne, für seine Arbeiten über Musik und europäischem Nationalismus, Musik, Rasse und Kolonialismus, Globalisierung, Zusammenhang von Musik und Religion, jüdische Musik in der Moderne und historische Aufführungen urbaner jüdischer Musik“ verliehen. Am Rande der Preisverleihung in Rom gab es die die Möglichkeit zu einem kurzen Gespräch mit Philip V. Bohlman, der sich u.a. auch durch die Verbreitung der Schriften Herders im angelsächsischen Raum verdient gemacht hat. 

VON HERDER BIS HEUTE


Von der Scala-TV über Technologiereformen bis zu neuen Werkstätten – die Mailänder Oper im Zeichen von Erneuerung und Modernisierung Mailand – Die Scala ist mit Boris Godunov (Mussorgski) und Salome (Strauss) erfolgreich in die Spielzeit gestartet. Auf dem Programm der Opern-, Ballett- und Konzertsaison 2022/2023 stehen über 250 Veranstaltungen. Der dritte Operntitel, Verdis I Vespri Siciliani, hat jetzt eine absolute Neuheit in der Geschichte des Mailänder Opernhauses eröffnet: La Scala TV. Am 14. Februar wurde die Inszenierung unter der musikalischen Leitung von Fabio Luisi in der Regie von Hugo De Ana (u.a. mit Marina Rebeka, Piero Pretti, Luca Micheletti) im Livestream übertragen. Mit diesem Auftakt bietet die Scala-TV einen Streaming-Dienst an, der es erlaubt, Opern, Ballette oder Konzerte exklusiv des Teatro alla Scala sowohl live als auch on demand über das Internet abzurufen.

WELTWEIT IN JEDE WOHNUNG



Die Mailänder Scala baut eine Streaming-Plattform auf. Start vermutlich im Januar 2023 Mailand – Das Teatro alla Scala bereitet wie andere großen Opernhäuser ein Streamingprojekt vor. Wie lokale Medien berichten, soll die offizielle Premiere im Januar 2023 stattfinden. Seit Monaten zeichnen neun im Zuschauerraum installierte Kameras Aufführungen auf, um den Katalog aufzubauen. Die Zuschauer, so vermutet la Repubblica (hier in ihrem Beitrag), werden ein Abonnement abschließen können, um die Aufführungen sowohl live im Fernsehen oder auf dem PC zu sehen oder sie on demand abzurufen. Man denke offensichtlich an einen attraktiven Preis pro Aufführung zwischen fünf und zehn Euro je nach Genre (Oper, Ballett, Konzert) oder dem Format des Videos. Für Schulen und Kulturvereine könnten kostenlose Pakete mit speziellen Inhalten rund um die Aufführung mit Interviews, Informationen zu den Darstellern und Hinweisen auf die Geschichte der Scala ins Angebot gestellt werden.

FÜR EIN NEUES PUBLIKUM


Parma, Mitte März – Der Himmel liegt grau über der Stadt Correggios und Toscaninis, aber Regen will nicht fallen. Der Fluss Parma verliert sich in seinem tief gelegenen Bett. Er tröpfelt dahin, als sei Hochsommer, dabei blühen gerade erst die Kirschbäume. In der Caffetteria an dem Viale Toschi glitzert noch die Weihnachtsdeko über dem Tresen. Bevor man bestellt, weist der Gast sich durch seinen „Greenpass“ aus. Auf einem der Tische liegt die Gazzetta di Parma. 450 Flüchtlinge aus der Ukraine sind angekommen. Die meisten finden Unterkunft bei Verwandten und Bekannten oder in religiösen Einrichtungen. Tagesgespräch ist das Fußballstadion. Das neue „Stadio Ennio Tardini“ soll das alte (aus den 1920er Jahren, zuletzt umgebaut 1993) nicht komplett ersetzen, sondern am selben Ort erweitern und modernisieren.  Am Teatro Regio laufen die letzten Proben für Bellinis „Norma“ dirigiert von Sesto Quatrini aus Vilnius (Litauen). Während man am späten Vormittag vorbei am Verdi-Denkmal auf den Palazzo della Pilotta zugeht, warten einige Schüler und Studenten aber auch Rentner auf den kniehohen Einfassungen der Piazza della Pace sitzend vergeblich auf Sonne. Hunde werden spazieren geführt.

In Parma



Ein Sammelband über Heinrich Mylius, die Lombardei und das nordalpine Europa im frühen 19. Jahrhundert ausgehend von einer Tagung in der Villa Vigoni Mailand – Im Jahr 1788 wählte ein 19jähriger Deutscher sich Mailand zum Lebensmittelpunkt, um hier die kaufmännischen Interessen seiner Familie aus Frankfurt zu vertreten: Heinrich Mylius (Frankfurt 1769 – Mailand 1854).  Er machte sich bald selbstständig und wurde so als erfolgreicher Unternehmer zu einer wichtigen Figur im Netzwerk zwischen dem deutschsprachigen Raum und Norditalien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Seine Lebenszeit deckt sich mit der historischen Epoche des Übergangs von der frühen Neuzeit und der Moderne („Sattelzeit“). Dazu gehören Napoleons norditalienischer Staat mit Mailand als Hauptstadt (1796-1814), Unruhen in der Lombardei 1821 bzw. 1830 und die berühmten „Cinque Giornate“, der Aufstand im März 1848, der die Österreicher für einige Monate aus Mailand vertrieb.  Aus einer Tagung des deutsch-italienischen Zentrums Villa Vigoni und der Goethe-Universität Frankfurt/Main mit Unterstützung der Werner Reimers Stiftung ist ein Sammelband (Franz Steiner Verlag) hervorgegangen, der Beiträge zum Verhältnis von Heinrich Mylius und seiner Epoche sammelt.

NETZWERKER IM KULTURELLEN AUSTAUSCH