ERINNERUNGEN UND GEFÜHLE


Großes Kino und mehr: Der „Spazio Antonioni“ feiert in Ferrara das künstlerische und intellektuelle Erbe des Filmregisseurs

© Cluverius

Endlich eine eigenes Museum für Michelangelo Antonioni (1912-2007) in Ferrara

Mailand/Ferrara – Unter den Filmregisseuren, die das italienische Kino mit Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten, gilt Michelangelo Antonioni als ein Meister cineastisch poetischer Untersuchungen. Wim Wenders nennt ihn einen „Maler der Kinoleinwand“. Geboren 1912 in Ferrara ging Antonioni in den 1940er-Jahren nach Rom, wo er 2007 stab. Ferrara und die Räume der heimatlichen Po-Landschaft blieben aber in vielen seiner Filme präsent. Seine Vaterstadt hat ihm jetzt mit dem „Spazio Antonioni“ einen sehenswerten festen Ausstellungsort eingerichtet, der Anfang Juni in einem Pavillon des Palazzo Massari eröffnet wurde.

Der Rundgang durch die von Dominique Païni kuratierte Ausstellung folgt u. a. mit Fotografien, Objekten oder Videos chronologisch der Entwicklung Antonionis von den Anfängen im Neorealismus und dessen Weiterentwicklung in den Filmen mit Lucia Bosè in der Hauptrolle sowie in Il grido. Über die „Trilogie der Moderne“ mit Monica Vitti (L’avventura, La notte, L’eclisse) und das Aufkommen der Farbe in Il deserto rosso kommt man schließlich zur Auseinandersetzung mit der angloamerikanischen Pop- und Hippiekultur (Blow Up und Zabriskie Point) und zum Existenzialismus von Professione: Reporter in einer afrikanischen Wüste.

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Eine Höhepunkt im Schaffen Antonionis: die Filme der sogenannten Trilogie der Moderne

Am Ende steht die Rückkehr nach Europa, Italien und zur Genderproblematik (u. a. Identificazione di una donna, Al di là delle nuvole). Gelungen ist die anregende Mischung der klug kommentierten Exponate, bewegend sind etwa die Videos über das Casting von Monica Vitti, kurios wirkt ein Privatalbum mit Fotografien von Darstellerinnen und Darstellern.

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Still eines Videos mit Probeaufnahmen von Monica Vitti für „Deserto rosso“ (1964)

Daneben sind bildnerische Arbeiten des vielseitig kreativen Regisseurs zu sehen, zum Beispiel die Aquarelle und Blow Ups der Serie „Le montagne incantate“ (Die Zauberberge). Leihgaben von Werken von Künstlern wie Burri, Morandi oder Cy Twombly schaffen in einer kleinen temporären Ausstellung einen inspirierenden Rahmen für der Welt des Ferraresen. Bücher, Manuskripte oder Briefe belegen die Aktivitäten des Intellektuellen Antonioni, sein Austausch u. a. mit Umberto Eco, Roland Barthes oder Federico Fellini. Die Exponate des Museums stammen vor allem aus dem riesigen Archiv, das der Regisseur und seine Frau Enrica Fico der Stadt Ferrara vermacht haben.

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Michelangelo Antonioni als bildener Künstler (Serie „Le montagne incantate“)

Wim Wenders, der Michelangelo Antonio bei seinem letzten großen Kinofilm Al di là delle nuvole („Jenseits der Wolken“) 1995 assistierte, als der Regisseur nach einem Schlaganfall kaum noch reden konnte, lobte in einer Videobotschaft zur Eröffnung die Namensgebung des Museums als „Spazio Antonioni“, denn Antonioni habe in seinem Filme immer „spazi“, „Räume“ inszeniert, die zugleich Ausdruck von Beziehungen und Gefühlen waren.

Spazio Antonioni. Ferrara (Corso Porta Mare 5). Tgl. außer Mo 10-13 / 15-18.30 Uhr. Eintritt 6 Euro, Begleitheft (Italienisch) 5 Euro. Info hier

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