Giotto in Mailand


Mailand (Palazzo Reale bis 10. Januar). Es muss um das Jahr 1335 gewesen sein, als Giotto di Bondone sich aufmachte, nach Mailand zu reisen. Er war vielleicht um die 60 oder bereits fast 70 Jahre alt – das Geburtsjahr (1267/1276) ist umstritten. Jedenfalls galt er bereits als ein Starkünstler, der für Päpste und Kardinäle ebenso gearbeitet hatte wie für den König von Neapel. Für die Franziskaner von Assisi oder den skrupellosen Bankier Enrico Scrovegni in Padua. In Florenz war ihm gerade der Auftrag erteilt worden, den Glockenturm der Kathedrale Santa Maria del Fiore zu errichten. In Mailand wurde er jetzt für den Herrscher der Stadt Azzone Visconti tätig und malte Fresken im fürstlichen Palast gleich neben der Dombaustelle. Kurz nach seiner Heimkehr starb der Künstler in Florenz im Januar 1337.

Jetzt ist er nach Mailand zurückgekommen. Im Halbdunkel der Ausstellungsräume des Palazzo Reale leuchten atemberaubende Arbeiten dieses Giotto di Bondone. Die Darstellungen von religiösen Motiven zeichnen sich alle noch durch Goldgrund aus – wie die fünf Tafeln des Polyptichon Baroncelli aus der florentinischen Kirche Santa Croce. Doch mit seiner Hinwendung zur naturalistischen Darstellung von Personen und Landschaften überschreitet Giotto die Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Die Ausstellung, kuratiert von Pietro Pietraroia und Serena Romano, unterstreicht die malerische Vielseitigkeit des Künstlers. Mit 14 sicher zugeschriebene Arbeiten, die bislang nie zusammen gezeigt wurden, ist das die größte Giotto-Ausstellung seit Jahren. Zu sehen sind unter dem Titel „Giotto, l’Italia“ vor allem Wandaltare aus Bologna, Florenz, der ländlichen Toskana, Umbrien oder aus Rom. Sie belegen die landschaftlich weit gestreute Tätigkeit des Malers in ganz Italien. Nachzulesen auch in dem Band über Giotto, mit dem bei Wagenbach gerade die wundervolle Giorgio Vasari Edition abgeschlossen werden konnte.

Der Palazzo Reale ist ein Nachfolgebau der Visconti-Residenz aus dem späten Mittelalter. Die wurde weitgehend zerstört, als Maria Theresia im späten 18. Jahrhundert durch Giuseppe Piermarini, den Baumeister u.a. auch der Scala, den neuen Herrschaftssitz errichten ließ. Die Giottofresken waren vermutlich bereits bei früheren Umbauten untergegangen.

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Giotto: Polyptychon Baroncelli aus der Kirche Santa Croce (Florenz)

Zur Weltausstellung Expo 2015, die Ende Oktober ihre Toren schloss, hat Mailand ein begleitendes Kulturprogramm auf die Beine gestellt, das die Stadt zu einem Schaufenster für ganz Italien macht. Möglich wurde so auch diese phantastischer Ausstellung über Giotto, die auf ihre Art belegt, wie verwurzelt in der Geschichte dieses Mailand ist, das sich heute als eine „Smartcity“ so modern gibt. Nachfolgende Generationen haben sich immer wieder mit Giotto auseinander gesetzt. Bis hin zu Künstlern der Moderne, etwa Yves Klein oder Mark Rothko, wie man in dem informativen Katalog des Electa-Verlages nachlesen kann.

Giotto, l’Italia. Palazzo Reale, Mailand, bis 10.Januar 2016. Katalog (Electa), 35 Euro im Buchhandel (32 Euro in der Ausstellung) Info: http://www.mostragiottoitalia.it/ 

Siehe auch den Bericht über die Edition Giorgio Vasari. Ein ähnlicher Beitrag ist auch in der „Kunstzeitung“ (Dezember 2016) erschienen.