Nach über 45 Jahre verwickelter Baugeschichte erhält die Mailänder Pinakothek Brera einen Palazzo für die Kunst der Moderne und der Gegenwart
Mailand – Darauf haben die Mailänder lange, lange gewartet: Den restaurierten Palazzo Citterio, in dem die Kunstsammlungen mit Werken des 20. Jahrhunderts der staatlichen Pinakothek Brera sowie eine Reihe von Serviceeinrichtungen Platz finden sollen, konnte man jetzt besichtigen. 1972 hatte der Staat den damals heruntergekommenen Stadtpalast in der Via Brera 12 aus dem 18. Jahrhundert erworben. Gut 45 Jahre lang wurde mit drei verschiedenen Projekten an ihm gewerkelt, immer wieder mussten die Arbeiten aus unterschiedlichen Gründen unterbrochen werden, wobei auch fehlende Finanzierungen eine Rolle spielten. Nun sind sie endlich abgeschlossen.
Während der Designwoche Mitte April kamen mehrere Tausend Besucher, um Räume, Hof und Garten in Augenschein zu nehmen. Zum Anlass dokumentierte eine Ausstellung von Fotografien u.a. von Maurizio Montagna die verschiedenen Phasen der Planungen und Bautätigkeiten. Bei Skira editore ist dazu das Begleitbuch Palazzo Citterio – verso la Grande Brera erschienen.
Der Palazzo erzählt sich selbst
Zu entdecken ist ein Palazzo des Klassizismus, der in die Gegenwart gewachsen ist. Da sind die vorbildlich restaurierten Salons des Piano Nobile aus dem 18. Jahrhundert und zugleich ein in den 1970er Jahren ex novo projektierter Nordflügel, der als erster Schritt zu dem „Grande Brera“ getauften Vorhaben der Mailänder Pinakothek mehr repräsentativen Raum geben sollte. Später kamen dann nach Plänen von James Sterling im Erdgeschoss versteckte weiträumige Salons aus Stahlbeton für Veranstaltungen und Wechselausstellungen dazu. Über den „Fall Palazzo Citterio“ berichtete die Veröffentlichung von Catarina Bon Valsassina Il caso Palazzo Citterio.
2015 wurden dann endlich diejenigen Arbeiten finanziert und vergeben, die die vorangegangenen Projekte integrierten und zugleich den Altbestand restaurierten. Der Palazzo Citterio erzählt jetzt gleichsam selbst die verwickelte Geschichte seiner Rückgewinnung.
Auch der Garten wurde teilweise wieder hergestellt, zugleich wurde ein neuer Akzent gesetzt: ein kleiner Hügel („la Collina di Ermes“), den der Gegenwartskünstler Mimmo Paladino entworfen hat. Der Garten grenzt an den botanischen Garten des Palazzo Brera, in dem seit Napoleons Zeiten die Pinakothek und die Kunstakademie untergebracht sind.
Eine gläserne Brücke
Mitte Juni soll die gesamte Anlage des Palazzo Citterio mit rund 6.500 Quadratmeter Raumfläche offiziell der Pinakothek übergeben werden. Dann kann der Anglo-Kanadier James Bradburne, Museumsdirektor seit 2015, frei nach dem Vorbild der Londoner Tate eine „Brera Modern“ einrichten. Damit würde Mailand in der Stadtmitte neben dem kommunalen „Museo del 900“ (Museum des 20. Jahrhunderts) am Domplatz einen zweiten öffentlich verwalteten Pol für die Kunst der Moderne und der Gegenwart gewinnen.
Diskutiert wird jetzt, ob es eine direkte bauliche Verbindung zwischen dem Palazzo Brera und der Dependance im Palazzo Citterio etwa in Form einer gläsernen Brücke über den botanischen Garten hinweg geben könnte.
Palazzo Citterio – verso la Grande Brera. A cura di Antonella Ranaldi, Paolo Savio, Annmaria Terafina. Skira editore, Milano 2018. 120 pagine, 84 colori e b/n, 22 Euro
Catarina Bon Valsassina: Il caso Palazzo Citterio. 96 pagine, 14.50 Euro. Skira editore, Milano 2014