Vor 70 Jahren wählte Italien die Monarchie ab und entschied sich für die Republik als Staatsform
Rom – König oder Präsident, Monarchie oder Republik? Vor 70 Jahren musste Italien sich entscheiden. Das Königshaus hatte bis 1943 die faschistischen Diktatur mitgetragen und war dadurch diskreditiert. Nach der Befreiung Roms 1944 hatten die Savoyer noch versucht zu retten, was nicht mehr zu retten war. König Vittorio Emanuele III. übertrug die Amtsgeschäfte seinem Sohn Umberto als Statthalter. Auf der Druck der politischen Parteien, vor allem der Christdemokraten, machten die Besatzungsmächte nach Kriegsende den Weg frei für ein Referendum über die Staatsform. Umberto richtete im März 1946 per Dekret eine Volksabstimmung ein, die über die Zukunft Italiens entscheiden sollte. Zugleich sollten die Mitglieder einen Verfassungsgebenden Versammlung gewählt werden.
Die Linksparteien hätten den umgekehrten Weg bevorzugt: zuerst die Konstituente, von der sie ein klares Votum für die Republik erwarteten, dann das Referendum. Sie stimmten aber schließlich dem Verfahren zu. Am 9. Mai dankte Vittorio Emanuele III. zu Gunsten seines Sohnes ab und verließ Italien. Umberto II. sollte nur gut einen Monat in Amt und Würden bleiben und ist als Re di maggio („Mai-König“) in die Geschichte eingegangen.
Ein tief gespaltenes Land
Am 2. Juni 1946 stimmten 54,3 Prozent der Wahlberechtigten für die Republik. Mit der Bestätigung des amtlichen Endergebnisses durch das oberste Kassationsgericht am 18. Juni endete nach 85 Jahren die Monarchie in Italien. Umberto hatte bereits ein paar Tage zuvor das Land verlassen und in Portugal unter dem autoritären Regime Salazars Asyl gesucht. Er hat das Ergebnis der Abstimmung bis zu seinem Tod 1983 in Genf nie anerkannt. Ein Ergebnis, das ein tief gespaltenes Land zeigte. Während es im Norden hohe Zustimmung für die Republik gab (etwa 64 Prozent in der Lombardei, in der Emilia-Romagna sogar 77 Prozent), entschied sich eine Mehrheit von 65 Prozent in Süditalien und auf den Inseln für die Monarchie. Zu den Neuigkeiten der Wahl gehörte, dass zum ersten Mal Frauen das allgemeine Wahlrecht erhalten hatten (in Deutschland und Österreich bereits 1918 – in der Schweiz erst 1971). Die Malerin Giosetta Fioroni, die damals 14 Jahre alt war erzählt heute: „Meine Mutter backte, als die Resultate eintrafen, mit ganz viel Sahne eine Torte um zu feiern. Ich fragte mich: Ist das die Republik?“
Keine Rose ohne Dornen
Die Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung endete jedoch „mit einer faustdicken Überraschung“, wie Hans Woller in seiner „Geschichte Italiens im 20. Jahrhundert“ (Beck Verlag 2010) kommentiert. Die beiden Linksparteien schnitten mit nicht einmal 40 Prozent der Stimmen (Sozialisten 20,7 und Kommunisten 18,9 Prozent) schlechter ab, als erwartet. Die Democrazia Cristiana konnten sich dagegen mit 35,2 Prozent als Wahlsieger fühlen. Es gäbe keine Rose ohne Dornen, schrieb Sozialistenführer Pietro Nenni in sein Tagebuch. Die Rose war der Sieg der Republik, die Dornen „sind die neun Millionen Wähler der Christdemokraten.“ In der Verfassungsgebenden Versammlung gab es also eine Art Pattstellung zwischen den beiden großen Lagern. „Sie blockierten sich aber nicht“, schreibt Woller, „weil es in der Democrazia Cristiana genügend Abgeordnete gab, die soziale Fragen gegenüber aufgeschlossen und durchaus reformfreudig waren, und auch die politische Linke nicht mit dem Kopf durch die Wand wollte.“
Frauen, die ihre Männer betrogen
Seit dem Jahr 1948 wird der 2. Juni in Italien als Nationalfeiertag begangen und von den Medien mit unterschiedlich rhetorischen Aufwand begleitet. Einen schönen Zugang wählte in diesem Jahr die römische Tageszeitung la Repubblica, die kurze Erinnerungstexte von Persönlichkeiten druckte, die als Jugendliche dabei gewesen waren. Darunter der Blattgründer Eugenio Scalfari, damals ein Bewunderer des neapolitanischen Philosophen Benedetto Croce. Der 22jährige Student stimmte wie sein Meister für die Monarchie, „weil ich der Democrazia Cristiana nicht über den Weg traute.“ Sein damaliger Brieffreund Italo Calvino wählte dagegen die Republik. „Wir haben uns nie wieder geschrieben.“ Die Schriftstellerin Dacia Maraini (geboren 1936) hielt sich mit ihren Eltern in Japan auf. Als in Tokio das Abstimmungsergebnis eintraf, haben die sich lachend in die Arme genommen. „Ich begriff nicht warum. Und als sie mir sagten, dass Italien jetzt endlich frei wäre, habe ich gesagt, dann umarmt mich auch. Und wir haben uns zu dritt umarmt.“
Und die heute 95jährige kommunistische Politikerin Marisa Cinciari Rodano erinnert sich an die vielen Frauen in den Schlangen vor den Wahllokalen. Nachdem die Ergebnisse eingetroffen hieß es, „dass viele Frauen ihre Männer an den Wahlurnen betrogen hätten. Die Ehefrauen der Christdemokraten, sagte man, hätten kommunistisch gewählt, und die der Kommunisten christdemokratisch.“