Streit um Isozakis Entwurf für einen neuen Ausgang der Uffizien
Florenz (September 2004)- Florenz, einer der reichsten und zugleich schönsten Kunststädte der Welt, tut sich traditionell schwer mit der Gegenwartskultur. Das lässt sich wieder einmal an der Diskussion ablesen, die seit Jahren die geplante Umgestaltung eines zweiten Zuganges zu den Uffizien begleitet. Im Zusammenhang mit der Erweiterung der Ausstellungsfläche, die bis zum Jahr 2006 verdoppelt werden soll, steht auch die Neugestaltung des alten Ausgangs zur Piazza Castellani an. Bislang ist sie durch eine hässliche Betonrampe geprägt, die vielleicht dem Hinterausgang einer Fischauktionshalle angemessen sein könnte aber nicht einer der bedeutendsten Pinakotheken Italiens und Europas.
Der Wettbewerb von 1998
Im April 1998 hatte der japanische Architekt Arata Isozaki einen international ausgeschriebenen Wettbewerb mit einem ganz einfachen und zugleich mutigen Projekt gewonnen, der den alten Hinterausgang (ursprünglich gegenüber einem Kino gelegen, das gerade zu einem Kaufhaus umgebaut worden ist) von allen Anbauten der letzten Jahrzehnte befreit und mit einem hohen Wetterdach überspannt. Mit toskanischem Sandstein verkleidete Stahlträger würden dabei ein transparentes Oberlicht aus Polycarbonat tragen. Mit der „pietra serena“, dem toskanischen Sandstein, soll auch die leicht ansteigende Fläche gepflastert werden, die das Gefälle zwischen dem Niveau der Piazza und dem des Erdgeschosses der Uffizien ausgleicht.
Die Besucher würden zwischen vier hohen Sockeln flanieren, auf denen Kopien von Skulpturen aus den Uffiziensammlungen stehen könnten. Gegenwart (im Entwurf) und Tradition (im Material) geben sich bei Isozaki die Hand. Wohl auch deshalb fand die Entscheidung vor sechs Jahren viele Fürsprecher. Geplante Kosten: rund 6,6 Millionen Euro. Im Jahr 2001 kam es zu einem ersten Vertrag zwischen dem japanischen Architekten und der Stadt bzw. dem Ministerium.
Archäologen gegen das Projekt
Inzwischen hat die Regierung in Rom gewechselt, ein neuer Kulturminister traut sich in dieser, wie in vielen anderen Fragen, keine Geschmacksentscheidungen zu, und sieht sich deshalb dem wachsenden Druck konservativer Kreise hilflos gegenüber, die grundsätzlich jede Modernisierung strikt ablehnen. Dennoch erneuerte auch diese Regierung im Februar 2003 vertraglich die Umsetzung eines leicht veränderten Isozaki-Entwurfs, der inzwischen bereits eine Projektplanung vorgelegt hat. Doch der Druck, diesen „Horror“ (so zum Beispiel der Kunsthistoriker und frühere Staatssekretär Vittorio Sgarbi) zu verhindern, ist nur noch größer geworden. Als Retter in der Not traten Archäologen auf, die jetzt nach Ausgrabungen auf der Piazza das Isozaki-Projekt, so der zuständige Denkmalschutzbeamte, „für undurchführbar“ halten, weil die Pfeiler des Wetterdaches angeblich antike Grundmauern zerstören würden.
Der Minister erklärt die Diskussion nun für beendet und wäscht sich die Hände in Unschuld. Doch der Bürgermeister der Stadt fällt aus allen Wolken, weil man ihm bislang die archäologischen Funde auf der Piazza als absolut unbedeutend geschildert hatte. Er befürchtet, dass Isozaki auf seine Verträge pochen, die Stadt in einen langen Rechtsstreit verwickeln könnte, und sich deshalb die Umgestaltung des neuen Ausganges der Uffizien und der Piazza auf Jahre verzögern würde.
Ein mutiges Bekenntnis zur Gegenwart?
Das Hinauszögern des Isozaki-Projektes, das von Kulturminister Giuliano Urbani nach jüngsten Pressemeldungen angeblich bereits als „erledigt“ bezeichnet wurde, ist auch vom zuständigen Intendanten der staatlichen Museen von Florenz, Antonio Paolucci, bedauert worden. Er hofft, dass die Arbeiten dennoch, wie vertraglich festgelegt, bald beginnen können. Es sei absurd, so Paolucci, der in den neunziger Jahren selbst einmal als Unabhängiger das Amt des Kultusministers ausgeübt hatte, dass die Diskussion über das Wetterdach in ein ideologisches Fahrwasser geraten ist, wonach „links“ sei, wer für Isozaki plädiere, und „rechts“, wer den Entwurf hässlich fände. Ist Florenz auch ideologisch wieder im Mittelalter angekommen? Jedenfalls braucht die Stadt keine Auseinandersetzungen mehr zwischen Guelfen und Ghibellinen oder Bianchi und Neri, sondern ein mutiges Bekenntnis zur Gegenwart.
Erschienen im September 2003 in der Süddeutschen Zeitung