FRISCHER WIND


Kulturminister Dario Franceschini kehrt zum Prinzip der autonomen Verwaltung bedeutender staatlicher Museen zurück, die sein Vorgänger aufgeweicht hatte. Aber wie lange hält die Regierung überhaupt noch?

© Facebook Dario Franceschini

Schriftsteller und Kulturminister, Dario Franceschini aus Ferrara vom Partito Democratico

Mailand/Rom – Mit aller Kraft zurück. Das ist das Motto von Italiens Kulturminister Dario Franceschini. Mit einem Regierungserlass zur Ordnung staatlicher Museen und des Denkmalschutzes gibt er unter anderem drei Einrichtungen die Autonomie wieder, die ihnen sein Vorgänger genommen hatte: dem Museo dell’Accademia (Florenz), dem Museo Nazionale Etrusca di Villa Giulia (Rom) und dem Parco Archeologico dell’Appia Antica (Rom). Mehr noch: es werden zehn weitere Museen in die Gruppe der autonomen Einrichtungen aufgenommen, darunter der Palazzo Reale von Neapel, die Pinacoteca Nazionale von Bologna oder das Museo Archeologico Nazionale von Cagliari. Die Direktorenstellen sollen international ausgeschrieben werden.

Zur Erinnerung: Es war Dario Franceschini (Partito Democratico), der unter der Mitte-Links-Regierungen von Matteo Renzi zwischen 2014/2015 gegen erheblichen Widerstand eine weitgehende Reform der staatlichen Kultureinrichtungen des Landes auf den Weg gebracht hatte. Eine Reihe von bedeutenden Museen wie die Uffizien in Florenz, die Pinacoteca Brera in Mailand oder der Palazzo Ducale in Mantua erhielten eine autonome Verwaltung. Direktoren kamen nach Ausschreibungen auch aus dem Ausland: etwa der Deutsche Eike Schmidt (Uffizien), der Brite James Bradburne (Brera) oder der Österreicher Peter Assmann (Palazzo Ducale). Vorgesehen war, dass die Verträge der Direktoren, die meist jetzt Ende 2019 auslaufen, um weitere fünf Jahre verlängert werden könnten.

Eine Nacht- und Nebelaktion

Die Reform brachte frischen Wind in die Kultureinrichtungen, ihre Verwaltungen wurden modernisiert, die Sammlungen reorganisiert, die Kommunikation einer global vernetzten Welt angepasst. Und überall stiegen die Besucherzahlen- und damit auch die Einnahmen. Nach den Parlamentswahlen im März 2018 bildeten die Fünfsternebewegung (M5S) als Wahlsieger und die Lega eine neue Regierung. Kulturminister Alberto Bonisoli (M5S) ließ die Frage, ob er die Autonomie-Reform Franceschinis bestätigen würde oder nicht, lange offen. In seinem Ministerium setzten sich schließlich die Kreise durch, die eine starke Machtbündelung in der Zentrale befürworteten. Als im vergangenen August die Regierung M5S/Lega bereits vor dem Ende stand, nahm Bonisoli gleichsam in einer Nacht- und Nebelaktion einigen Museen wieder ihre Autonomie. Das florentinische Museo dell’Accademia wurde sogar den Uffizien unterstellt. Ihre deutsche Leiterin Cecilie Hollberg wurde trotz einer ausgezeichneten Bilanz ihrer Arbeit Knall auf Fall entlassen, was zu breitem Protest in den Medien des Landes führte.

Anfang September löste dann eine neue Regierung in einer Koalition aus Fünfsternebewegung und Partito Democratico die alte ab. Dario Franceschini, der in seiner eigenen Partei eine Führungsrolle spielt, zog wieder als Hausherr in das römische Kulturministerium in der Via del Collegio Romano ein. Die Verträge für die meisten Direktoren der autonomen Kultureinrichtungen wurden jetzt verlängert. Darunter auch der für Eike Schmidt, der ursprünglich eine Berufung ans Wiener KHM angenommen hatte, sich aber schließlich doch für die Uffizien entschied – was wiederum in Wien sauer aufstieß.

Von sich aus verlassen zum Jahresende die Österreicher Peter Aufreiter den Palazzo Ducale von Urbino und Peter Assmann den von Mantua. Beide mit einer guten Erfolgsbilanz, beide aber desillusioniert vom politisch-bürokratischen System der staatlichen Kultur Italiens (hier ein Interview von Assmann mit Spiegel-Online). Sie nehmen jetzt neue Aufgaben in Wien bzw. Innsbruck wahr. Im Ministerium werden gerade die rechtlichen Möglichkeiten geprüft, die Kündigung von Cecilie Hollberg an der Accademia rückgängig zu machen.

Auf einem richtigen Weg

Franceschini, der auch wieder für den Tourismus zuständig ist, hat angekündigt, „die Themen der Kultur zum Kernbereich der italienischen Politik zu machen.“ Mit seinen Reformplänen, Entscheidungen in vielen Kulturbereichen vom Zentrum in die Peripherie zu verlagern, ist der 61jährige auf einem richtigen Weg. Auch möchte er durch Pflege von Kulturgütern in Verbindung zu einem nachhaltigen Tourismus besonders den Süden des Landes stärken. Doch wie viel Zeit hat er für seine Pläne? Die Regierung, der er angehört, schleppt sich – grade mal 100 Tage im Amt – von einem Streit zum nächsten. Sie kann jederzeit wieder auseinanderfallen. Bei Neuwahlen droht eine Mehrheit des rechten Blocks unter der Führung der Lega. Für die Kultur (und nicht nur für sie) wären das keine rosigen Aussichten.

Ein ähnlicher Text ist im Informationsdienst Kunst Nr. 629 (19.12.2019) erschienen.

Siehe auch auf Cluverius „Der Neue – Kulturminister Alberto Bonisoli“ sowie
Na, also – die ausländischen Diorektoren bleiben im Amt“