HINTER DEN DINGEN


Zwei Mailänder Ausstellungen: „Imago non fugit“ und „Recto Verso“ 

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Ein Spiel mit Leinwänden von Giulio Paolini: „La Decima Musa“ (links 1966); „Alceo“ (rechts 1960)

Mailand – Unter den Mailänder Kultureinrichtungen kann man sich kaum einen größeren Gegensatz vorstellen als zwischen der Fondazione Prada am südlichen Stadtrand und dem Museo Bagatti Valsecchi im Zentrum. Die für Prada von Rem Koolhaas kürzlich umgebaute ehemalige Industrieanlage, ist – gleichsam mit einem minimalistischen Grundton – ganz auf die öffentliche, zumal elegante Präsentation von Kunst und Kultur Gegenwart ausgerichtet. Der von den Brüdern Fausto e Giuseppe Bagatti Valsecchi in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im historistischen Stil ausgebaut Stadtpalast ist mit Kunstwerken, Einrichtungsgegenständen und Sammlungsstücken vorwiegend aus der Renaissance vollgestopft und versteht sich als Museum einer privaten, antiquarisch orientierten  Wohnidee. Und doch verbindet jetzt etwas die beiden Pole der Mailänder Kultur. Zwei Ausstellungen, die hinter die Dinge gucken lassen.

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Giampiero Bodino „Totenkopf-Uhr“ Zeichnung 2015 (Museo Bagatti Valsecchi)

Bei Prada geht es unter dem Titel „Recto Verso“ um die Rückseite von Kunstwerken, meist von Gemälden. Arbeiten aus der Fondazione Prada sowie einige Leihgaben, die ihr Hinterteil ironisch zur Schau stellen, es zum Thema machen oder wie bei einer Installation von Giulio Paolini mit der Dialektik von vorne („recto“) und hinten („verso“) spielen. Zu sehen sind rund 30 Exponate u.a. von Roy Lichtenstein, Thomas Demand, Matts Leiderstam oder Daniel Dezeuze.

Im Museo Bagatti Valsecchi werden etwa 70 Arbeiten von Giampiero Bodino, Designer und Artdirector des Schweizer Konzern für Luxusgüter Richemont ausgestellt. Bodino, erschlagen von der Fülle des Museums, hat Details der Einrichtung aber auch von Kunstwerken herausgegriffen, sie teils in Originalgroße, teils als Blowup fotografiert, gezeichnet (Filzstift) oder gemalt – und die Arbeiten in die Räume gestellt, auf die sie Bezug nehmen. Unter dem Titel „Imago non fugit“ lernt man, das Museum im Detail zu sehen, es gleichsam hinter den Originalen zu entdecken, die „nicht fliehen können“.

Der Ausstellungsgang von Prada zu Bagatti Valsecchi (oder umgekehrt) führt so zu einem anregenden Gegenüber von Zentrum und Peripherie, Abstraktion und Konkretisierung, Provokation und Versöhnung. Und lässt die kreativen Spannungen erleben, die diese Stadt auszeichnen.

Recto Verso. Fondazione Prada bis 14. Februar 2016 (tgl. außer Di 11-19, Fr + Sa bis 22 Uhr).
Imago non fugit. Museo Bagatti Valsecchi bis 17. Januar 2016 (tgl. außer Mo 13 bis 17.45 Uhr)