Eine gelungene Ausstellung über den romantischen Maler
Francesco Hayez
Mailand (Gallerie d’Italia bis 21.02.) – Das war mehr als ein Kuss. Eine romantische Szene, leidenschaftlich und politisch zugleich. Das Gemälde „Il Bacio“ aus dem Jahr 1859 zeigt Italien und Frankreich umschlungen, wenn man jedenfalls die Farben der Kleidung der sich Küssenden als Nationalfarben deutet. Ein Bild, das die italienisch-französische Partnerschaft symbolisierte, ohne die es nicht zur Befreiung Norditaliens von der Herrschaft Habsburgs gekommen wäre. Francesco Hayez (Venedig 1791 – Mailand 1882) schuf mit diesem Kuss eine Ikone.
Nur wenige Maler in Italien konnten im 19. Jahrhundert so gekonnt zwischen den Genres wechseln wie Hayez. Der Schüler von Antonio Canova widmete sich historischen Darstellungen ebenso wie Porträts von Zeitgenossen. Er schuf erotische Frauenbilder und spiegelte in seinen Gemälden die Stimmung der italienischen Einheitsbewegung wider. In den Gallerie d’Italia, der Mailänder Museumseinrichtung der Bankgruppe Intesa-SanPaolo, ist gerade eine der größten Ausstellungen eröffnet worden, die diesem Hauptdarsteller der italienischen Romantik je gewidmet wurde. Dazu gehören auch drei Versionen des „Bacio“, die hier zum ersten Mal nebeneinander hängen. Fernando Mazzocca hat die Ausstellung eingerichtet.
Der Maler als Perfektionist
Zu sehen sind rund 130 Gemälde, die den Werdegang des Künstlers ausgehend vom späten Neoklassizismus über die viele Spielarten der Romantik bis hin zum Auftauchen des Naturalismus aufzeigen. In chronologischer Reihenfolge folgt der Besucher den Anfängen in Venedig und Rom bevor sich Hayez 1823 in Mailand niederließ. Er porträtierte die Vertreter des aufstrebende Bürgertums wie von intellektuellen Zeitgenossen – Alessandro Manzoni zum Beispiel. Er provozierte, wenn er die Geliebte eines Adeligen unbekleidet in Rückenansicht als „Venus“ mit zwei Tauben darstellte. Er griff wie sein Freund Giuseppe Verdi Themen zur Heroisierung italienischer Geschichte auf. Bild- und Operntitel decken sich verblüffend: „I Lombardi alla Prima Crociata“, „I due Foscari“, „I Vespri siciliani“. Doch gibt es überraschend kein Verdi-Porträt von Hayez. Der Maler war ein Perfektionist, der seine Arbeiten in unzähligen Sitzungen schuf. Angeblich musste ihm Manzoni 15 Mal Modell sitzen. Verdi war dafür viel zu ungeduldig.
Geduld hatte Carolina Zucchi um so mehr. Die Geliebte das Malers wurde ihm zum Modell für Frauengestalten von der heiligen Maddalena bis zu sinnlichen Darstellungen etwa der Meditation oder gar biblischen Motiven. Hayez brachte die Haut seiner Carolina zum Leuchten. Was besonders männlichen Betrachtern seiner Zeit den Verstand rauben konnte, wenn er sie ohne Scheu ganz offenherzig zeigte. Aber er war auch ein geduldiger Lehrer, der fast 60 Jahre lang in der Brera-Akademie unterrichtete. Eine zweite kleine Ausstellung mit Zeichnungen, Drucken und Gemälden seiner Schüler ist gerade in der Accademia di Belle Arti zu sehen. Mit Francesco Hayez ist ein Zeitalter zu besichtigen.
Hayez. Gallerie d’Italia, Mailand, bis 21. Februar 2016. Katalog, hrsg. von Fernando Mazzocca, Silvana Editoriale, 34 Euro.