Daniele Gatti dirigiert an der Scala eine umjubelte Aufführung von Richard Wagners einziger Oper semiseria
Mailand (Teatro alla Scala) – Richard Wagner führt uns mit seinen Meistersingern (Uraufführung 1868) in die Renaissancezeit. Die Inszenierung an der Scala stellt sie unter der Regie von Altmeister Harry Kupfer in die Gegenwart. Die Geschichte eines Sängerwettstreits – als Preis winkt dem Sieger die einzige Tochter des reichsten Mannes der fränkischen Kaiserstadt – entwickelt sich auf dem Hintergrund des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Nürnberg und der Zeit des Wiederaufbaus . Die Brücke zwischen dem Gestern und Heute schlägt das von Daniele Gatti geführte Orchester mit einer wundervoll weichen Interpretation.
Der Mailänder Dirigent schafft einen poetischer Klangteppich, auf dem man in eine durchaus heitere Welt der Dichtung entfliehen möchte, in der das peinlich nationalistische Finale des Wagner-Librettos nur noch nebensächlich erscheint: „… welschen Dunst mit welschem Tand sie pflanzen uns in deutsches Land; was deutsch und echt, wüßt keiner mehr, lebt’s nicht in deutscher Meister Ehr’.“ Auch die Regie Kupfers lässt solche Sprüche gleichsam nur mitlaufen und betont die humoristischen Akzente. Und damit die Kritik Wagners an einen von starren Regeln organisierten, rückwärts gewandten Kulturbetrieb.
Die Oper als Baustelle
Der „welsche Meister“ Daniele Gatti hatte die Oper bereits mit den Wiener Philharmonikern 2013 in Salzburg dirigiert. Die Inszenierung gehörte zu einem Paket von Aufführungen der Festspiele, die Intendant Alexander Pereira für die Scala einkaufen konnte. Doch war, wie sich später herausstelle, das Bühnenbild dieser Meistersinger nicht mit den Maßen der Mailänder Bühne kompatibel. So griff man auf die Inszenierung zurück, die Harry Kupfer 2012 für die Oper Zürich eingerichtet hatte. Derek Gimpel hat sie nun für die Scala im Bühnenbild von Hans Schavernoch (Licht: Jürgen Hoffmann) schwungvoll wieder aufgenommen und verantwortet auch die Choreographie. Im Mittelpunkt der Szenographie steht die von Gerüsten umgebene Ruine einer Nürnberger Kirche. Für den Wiederaufbau werden Spenden gesammelt. Die Oper als Baustelle, das kann dem heutigen Umgang mit Wagner nur gut tun.
Langer Beifall für alle
In der zentralen Rolle des Hans Sachs unterstreicht der Freudenstädter Bassbariton Michael Volle eindrucksvoll, wie wichtig es heute auf der Opernbühne ist, nicht nur musikalisch, sondern auch im Schauspiel überzeugen zu können. Das gilt ebenso für den Österreicher Markus Werba als Beckmesser. Umso mehr fällt der unbeholfen agierende und merkwürdig stimmschwache Tenor Erin Caves aus den USA in der Rolle des Walther ab. Gefallen kann neben anderen die Amerikanerin Jacquelyn Wagner, die eine gefühlsvolle und zugleich selbstbewusste Eva gibt. Ihr Ansatz zum berühmten Quintett im dritten Akt sei allein die Eintrittskarte wert, schrieb ein Kritiker der Tageszeitung la Repubblica. Am Ende gibt es vor nicht ausverkauftem Haus langen Befall für alle, und Jubel für Michael Volle und Daniele Gatti.