VON ANFANG AN


Eine vergnügliche Art, die Geschichte der Malerei zu durchstreifen, bietet Nick Trend in seinem Buch „Meilensteine“.

© Laurence King Verlag/Metrop. Museum of Art NY

Das erste Lächeln? „Porträt eines jungen Mannes“ (um 1470) von Antonello da Messina

Mailand – Fragen nach Inhalt und Form, nach Entstehung und Rezeption sind die klassischen Ansatzpunkte der Kunstgeschichte. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Kunstwerken geht dabei notgedrungen über das Verständnis und das Bedürfnis vieler Besucher von Museen, Kirchen oder Monumenten hinaus. Und sie ist dabei, sich wie andere Wissenschaftszweige auch in viele Disziplinen aufzuspalten und das Ganze aus dem Auge zu verlieren. Sicher, es gibt viele Versuche, populäre Zugänge zu schaffen, die aber häufig mit bildungsbürgerlichen Ansätzen belastet sind oder sich in Stilfragen (Barock? Renaissance?) verlieren. Der britische Journalist und Kunsthistoriker Nick Trend wählt einen anderen Ansatz, um Schneisen durch die Kunstgeschichte zu schlagen. Er sucht nach „Meilensteinen“ auf diesen Wegen. Danach, wie alles angefangen hat. Nach dem ersten Lächeln, dem ersten Selbstporträt, dem ersten Stillleben. Und liefert somit für neugierige Laien eine unterhaltsame „Geschichte der Kunst in 30 Schlüsselwerken“ (so der Untertitel des im Laurence King Verlag erschienen Buches).

Der Autor sucht Werke gleichsam von Anfang an wie den ersten Liebeskuss und wird bei Giotto fündig: Bei der zärtlichen Begegnung der Lippen von Joachim und Anna (der Bibel nach die Eltern von Maria), wie sie der Maler in der Scrovegni-Kapelle in Padua um das Jahr 1303 dargestellt hat. Doch Nick Trend geht nach einem leichtfüßig gehaltenen Kommentar über das Werk hinaus, das er Wort wörtlich als ein Schlüssel für die weitere Geschichte der Kunst benutzt und das ihn stichwortartig mit Meilensteinen über Michelangelo, Tizian, Marc Chagall bis Bansky und sein Straßenbild „Kissing Coppers“ in Brighton (2004) führt. Nach dieser Methode werden 30 Schlüsselwerke aus unterschiedlichen Themengebieten und ihre Wirkungen vorgestellte. Das sind Gebiete neben anderen wie Freude (Der erste Scherz), Seelenqualen (Der erste Schrei), Stile und Techniken (Der erste Lichteffekt) oder Wirklichkeit und Alltag (Die erste Küchenszene).

Die zentrale Rolle Italiens

Es versteht sich von selbst, dass sich der Autor dabei zeitliche und kunsttechnische Grenzen setzen muss, um mit seinen Meilensteinen sinnvolle Wege durch die Kunstgeschichte abzustecken. Er konzentriert sich im Wesentlichen auf Malerei aus den vergangenen 700 Jahren unseres westlichen Kulturkreises. Man mag gewiss über die eine oder Auswahl streiten, aber es bleibt dennoch ein mit leichter Hand geschriebener Parcours, der lehrreich wie vergnüglich überraschen kann. Und der auf seine Art die Kraft der italienischen Kunst belegt. Fast die Hälfte der Schlüsselwerke sowie viele Meilensteine stammen von Malern und Malerinnen(!) südlich der Alpen.

Nick Trend: Meilensteine. Die Geschichte der Kunst in 30 Schlüsselwerken. Mit zahlreichen farbigen Abbildungen. Aus dem Englischen von Sarah Pasquay. Laurence King Verlag, Berlin (2023). 208 Seiten, 20 Euro