10 Jahre Museion Bozen mit einer erfrischenden Ausstellung von John Armleder
Bozen (Museion bis 6.1.2019) – Es geht tierisch zu. Bär und Gämse sagen sich zwischen blumigen Arrangements gute Nacht. Und über Tannenbäumen schwebt ein Raubvogel. Zehn Jahre nach ihrer Gründung 2008 feiert die Bozener Ausstellungseinrichtung Museion mit einem Auftritt des Schweizer Allroundkünstlers John Armleder (Genf, 1948) sich selbst mit viel Ironie.
Da sind im Licht durchfluteten Dachgeschoss des Museions unter anderem drei Gerüste aufgestellt. Zwei davon kann Publikum begehen, einer dient dagegen einer vielschichtigen Präsentation von ausgestopften Tieren, von mal echten, mal künstlichen Pflanzen oder von einem kleinen Hügel aufgeschichteter Bücher und Zeitschriften. Nebenan liegt ein Haufen schwarzer Holzkohle mit darüber gestreuten, teilweise zersprungenen IKEA-Weingläsern. Ähnliches hatte man vor einigen Jahren von Armleder schon in der Londoner Tate gesehen – aber bei diesem Künstler sind keine Ausstellungen gleich.
Verspielte Auftritte
John Armleder – Projektkünstler, Maler, Bildhauer, Kritiker – kennt keine Grenzen zwischen Kunst und Kitsch, Ironie und Pathos. Er jongliert mit Design und Alltagsobjekten und spricht einzelnen Werken jede Aura der Meisterschaft ab. Am liebsten sind ihm B-Pictures wie die Filme, die auf Bildschirmen auf den begehbaren Gerüste flimmern. Billige Neon-Lampen zitieren kostbare Werke von Dan Flavin. Nichts nimmt der Sohn eines Schweizer Hoteliers ernst – außer den Besucher. Der steht im Zentrum seiner verspielten Auftritte, wo Zufall Methode hat. Wenn etwas Kunst ist, dann ist es das Erleben des Besuchers.
Die Welt ist aus den Angeln, Authentizität ist verloren, jeder muss und darf seinen eigenen Weg durch den vom Künstler gesteckten Parcours finden. Vor anspruchsvoller Kunst jedenfalls braucht keiner Angst zu haben. John Armleder schleift Barrieren, inszeniert die Freiheit der Wahrnehmung. Aber dürfen Kunstwerke nicht auch Botschaften haben, aufrütteln, dokumentieren – oder einfach nur schön sein?
Suche nach einer neuen Chefin (einem neuen Chef)
Seit seiner Gründung vor 10 Jahren hat sich das Bozener Museion mit erfrischenden Auftritten von Gegenwartskunst in der gewiss nicht leicht zu bespielenden Kulturszene Südtirols einen über die regionalen Grenzen hinauswirkenden Ruf erworben. Museion-Chefin Letizia Ragaglia wird im kommenden Mai nach zwei Amtszeiten das Haus verlassen. Man kann in diesem Fall der Einrichtung nur wünschen, dass sich das Motto der von Ragaglia kuratierten Armleder-Ausstellung – „Je mehr sich die Dinge ändern, desto mehr bleiben sie sich gleich“ – bewahrheitet.
John Armleder – Plus ça change, plus c’est la même chose. Museion, Bozen, bis 6. Januar 2019. Info hier
Ein ähnlicher Beitrag ist in der Kunstzeitung Nr. 268 (Dezember 2018) erschienen