„WIR SIND ALLE ANNE FRANK“


Tifosi von Lazio Rom verhöhnten Anhänger der Roma mit Bilder von Anne Frank. Die Öffentlichkeit reagierte empört. Doch wie kann man den wachsenden Antisemitismus (nicht nur) in den Stadien stoppen?

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Anne Frank sollte die Anhänger der Roma verhöhnen – Die Zeitung la Repubblica lässt sie bei allen Clubs auftreten

Rom – Es sollte eine Beleidigung der verhassten Fans des Lokalrivalen sein. Doch die Tifosi von Lazio Rom, die in der Südkurve des Olympiastadions der Hauptstadt, wo sich gewöhnlich die Fans der Roma versammeln, antisemitische Aufkleber hinterlassen haben, haben vor allem ihren eigenen Verein beleidigt. Nicht nur Etikette mit der Aufschrift „romanista ebreo“ konnte man lesen. Der Höhepunkt der Geschmacklosigkeit waren Fotomontagen, die eine lachende Anne Frank im rotgelben Trikot der Roma zeigte. Ein Aufschrei der Entrüstung ging durch Öffentlichkeit und Politik. Die Tageszeitung la Repubblica veröffentlichte auf ihrer Titelseite am 24. Oktober einen Artikel ihres Chefredakteurs unter der Überschrift „Siamo tutti Anna Frank“. Dazu wurde eine Fotomontage gezeigt, die die junge deutsche Jüdin (ermordet im Alter von nicht einmal 16 Jahren im KZ Bergen-Belsen) in den Trikots der bedeutendsten Mannschaften der ersten italienischen Fußballliga zeigte.

Staatspräsident Sergio Matarella sprach von einem Zeichen, das „allarmierend für unser Land“ sei. Entsetzt reagierte auch die jüdische Gemeinde Roms. Ein Sprecher warnte davor, die sich mehrenden Beispiele eines wiedererwachten Antisemitismus zu unterschätzen. In den Fangruppen von Lazio Rom konnte man bereits in der Vergangenheit eine gestiegene Gewaltbereitschaft ausmachen. Die Ultras der Irriducibili (der „Unbeugsamen“) zeigen seit Jahren offen Sympathien für den Faschismus. Es ist gar nicht so lange her, dass sogar ein Spieler der Mannschaft vor der Kurve den Arm zu „römischen Gruß“ ausstreckte.

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Rassistische und antisemitische Aufkleber im römischen Stadion

Vereinspräsident Claudio Lotito – ein Unternehmer von mehreren Reinigungs- und Überwachungsfirmen – hat sofort versucht, den Schaden zu begrenzen und sich von den Ultras losgesagt. Eine Vereinsdelegation begab sich am Dienstag zur römischen Synagoge, um dort einen Kranz nieder zu legen. Für Anhängergruppen sollen in Zukunft Reisen nach Auschwitz organisiert werden, um, so Lotito, „den Jungs zu zeigen, worüber wir reden.“ Bereits beim kommenden Treffen in Bologna, sollen die Spieler von Lazio zum Aufwärmen ins Stadion in Hemden mit dem Bild von Anne Frank auflaufen. In allen Stadien sollen kurze Texte aus dem Tagebuch der Anne Frank gelesen werden.

Nach jüngsten Ausschreitungen war den Tifosigruppen des Vereins bereits am vergangenen Wochenende die ihnen angestammte Nordkurve im Olympiastadion gesperrt worden. Über weitere Strafen werden die zuständigen Verbände entscheiden. Aber genügen Verbote, um den wachsenden Antisemitismus einzudämmen? Was sich in den Stadien in Rom und anderswo zeigt, ist sicher nicht nur ein Problem für den Fußball.

Nachtrag: Wie die römische Tageszeitung „Il Messaggero“ dokumentiert, hatte Lazio-Präsident Lotto den Besuch in der Synagoge am Abend vorher mit den Worten angekündigt „Famo ’sta sceneggiata“ (- „dann machen wir eben diese Show“). Kurz nach Bekanntwerden der Äußerung landete der von der Vereinsdelegation niedergelegte Kranz im Tiber.