Der Schriftsteller Klaus Mann und der Maler Eduard Bargheer zusammen auf einer Ausstellung im Palazzo Vecchio
Florenz (Oktober 2004) – Mit einer kleinen Sensation am Rande wartet die Ausstellung über „Zwei deutsche Emigranten in Florenz“ auf, die zurzeit im Palazzo Vecchio zu sehen ist. Ihr Kurator, der Berliner Emigrationsforscher Klaus Voigt, belegt darin die enge Zusammenarbeit des Schriftstellers Klaus Mann mit dem italienischen Regisseur Roberto Rossellini am Spielfilm „Paisà“, einem 1946 erschienenem Hauptwerk des Neorealismus. Klaus Mann hatte zusammen mit Roberto Rossellini und Sergio Amidei bis 1945 monatelang am Drehbuch des Films gearbeitet, der ursprünglich „Seven from the U.S“ heißen sollte und in sieben Episoden Widerstand und Befreiung Italiens 1943-45 am Beispiel von Beziehungen zwischen je einem Amerikaner und einem Italiener beschreibt. Nach einem Zerwürfnis zunächst mit Amidei und dann auch mit Rossellini schied Klaus Mann aus dem Projekt aus. Seine Name wird auch im Vorspann und in offiziellen Dokumenten zum Film nicht genannt. Klaus Voigt jedoch weist anhand der Drehbuchentwürfe nach, dass rund ein Drittel der Ideen von Klaus Mann im fertigen Film Eingang gefunden hat.
Klaus Mann als US-Soldat in der Toskana
Klaus Mann (1906-1949), der älteste Sohn von Thomas Mann, war einer der engagiertesten Antifaschisten unter den deutschen Schriftstellern. In Amsterdam gab er 1933 die Zeitschrift „Die Sammlung“ heraus, die Gegner des Nationalsozialismus verschiedener literarischer und politischer Richtungen zusammen führte. Nach der Emigration in die USA versuchte er das Experiment mit der Zeitschrift „Decision“ zu wiederholen. Als amerikanischer Soldat kam er 1944 nach Italien, wo er in der Psychological Warfare Branch, einer Abteilung der psychologischen Kriegführung, der Front nach Norden folgte. Ende August erreichte er das befreite Florenz und die Toskana, in der er sich bis Mitte Februar 1945 aufhielt, bevor er nach Rom an die Redaktion der amerikanischen Soldatenzeitschrift „The Stars and Stripes“ versetzt wurde.
Die Ausstellung im Palazzo Vecchio spiegelt nun in Fotos, Briefen, Tagebuchnotizen und Flugblättern die toskanische Zeit wider. Klaus Mann verfasste unter anderem Flugblätter, die hinter der Front abgeworfen wurden. In ihnen wurden deutsche Soldaten aufgerufen, die Front zu wechseln. Eine Tätigkeit, die der ehrgeizige Schriftsteller bald ermüdend fand. Er nahm auch häufig an Vernehmungen deutscher Kriegsgefangenen teil – und war entsetzt darüber, dass nur etwa zehn Prozent der Vernommenen sich als politische Gegner des Hitlerregimes bekannten. In Florenz hielt er Kontakt zu Mitgliedern der deutschen Kolonie, unter anderem zu dem Hamburger Maler Eduard Bargheer, dem mit Gemälden, Zeichnungen, Fotos und Briefen der zweite Teil der Ausstellung gewidmet ist.
Der Maler Eduard Bargheer als Emigrant in Florenz
Der expressionistisch beeinflusste Maler Eduard Bargheer (1901-1979) hatte sich erst spät von einem eher unpolitischen Künstler zu einem Nazigegner entwickelt. Er suchte dann, wie einige andere deutsche Künstler und Intellektuelle auch, Zuflucht im faschistischen Italien, das Kunst und Wis-senschaft viel weniger formale Fesseln anlegte, wie das nationalsozialistische Deutschland, und auch bis 1938 frei von rassistischer Verfolgung war. Klaus Voigt hat diese auf den ersten Blick überraschende Exilbewegung in einer groß angelegten Untersuchung „Zuflucht auf Widerruf“ (Klett-Cotta) beschrieben. Eduard Bargheer weigerte sich schließlich 1944, zusammen mit anderen Deutschen im Umfeld des Konsulates Florenz zu verlassen und sich nach Mailand zurückzuziehen. Er blieb als Emigrant im befreiten Florenz.
Mit eigenen Augen konnte er aus seinem Versteck in den Boboli-Gärten die Straßenkämpfe beobachten, die er dann in teilweise dramatischen Bildern festhielt. Er klagte auch die Massaker an, die von den Deutschen an der Zivilbevölkerung verübt worden waren, wie seine Gouachen, Aquarelle und Zeichnungen belegen. Später ging Bargheer dann nach Ischia, wo nach dem Krieg eine internationale Künstlerkolonie entstanden war. Noch heute gibt es neben seinem Hamburger Atelier in Blankenese eine Bargheer Gedenkstätte auf Ischia, die von Dirk Justus und Peter Silze geleitet wird, die auch an der Ausstellung im Palazzo Vecchio mitgearbeitet haben.
Initiativen zum 60. Jahrestag der Befreiung der Toskana
Die bislang einmalige Ausstellung, der man weitere zusätzliche Stationen auch in Deutschland wünscht, gehört in den Zusammenhang einer ganze Reihe von Initiativen zum 60. Jahrestag der Befreiung der Toskana. In ihnen wird nicht nur an die Ereignisse der letzten Kriegsmonate erinnert – u.a. zerstörten deutsche Einheiten sinnlos Teile der florentinischen Altstadt und ließen alle historischen Arnobrücken mit der Ausnahme des Ponte Vecchio (angeblich die „Lieblingsbrücke“ Hitlers) sprengen. Sondern man trägt auch dem „anderen“ Deutschland und einem neuen Klima der Zusammenarbeit Rechnung, das die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen ermöglicht und zu Versöhnung mahnt. Unter anderem finden in diesem Monat in Florenz und in der Toskana mehrere Benefizkonzerte der Initiative „Eine Orgel für Sant’Anna“ statt, die von den Musikern Maren und Horst Westermann aus Essen gegründet wurde, um Geld für eine neue Orgel der Kirche der toskanischen Gemeinde von Sant’Anna di Stazzema zu sammeln, in der im August 1944 über 350 Menschen, vor allem Frauen und Kinder, von SS-Einheiten brutal ermordet worden waren.
Klaus Mann – Eduard Bargheer. Zwei deutsche Emigranten im befreiten Florenz 1944-1945. Palazzo Vecchio, Florenz, bis 29. Oktober 2004. Katalog zweisprachig (Italienisch/Deutsch)
Siehe auch auf Cluverius die Kurzkritik über Volker Plagemanns Biographie des Malers Eduard Bargheer