Der Coronavirus und die Kultur in Norditalien – nach einer totalen und radikalen Schließung aller kulturellen Veranstaltungen und Aktivitäten können jetzt wenigstens Museen und Ausstellungsbetriebe unter Auflagen wieder öffnen
Mailand – Erste Türen öffnen sich jetzt in der Woche nach dem 3. März für einige Kulturveranstaltungen. Während Schulen und Universitäten in den meisten Regionen des Nordens weiterhin geschlossen bleiben und keine öffentlichen Veranstaltungen stattfinden, dürfen Museen und Ausstellungseinrichtungen wieder öffnen, wenn sie behördliche Vorgaben einhalten. Dazu gehört eine Beschränkung des Besucherstroms, damit keine, wie es offiziell heißt, „assembramenti“ (Menschenansammlungen) entstehen und ein Mindestabstand von einem Meter zwischen den einzelnen Personen gewährleistet bleibt. Weiterhin geschlossen bleiben Kino, Theater, Oper- und Konzerthäuser. Das Teatro La Fenice bietet Konzerte im Streaming-Dienst an.
Protest gegen flächendeckende Schließungen, die Ende Februar alle Kulturveranstaltungen in Norditalien lahm gelegt hatten, kamen von verschiedenen Seiten. Wobei es nicht nur um Verträge und Kosten ging, sondern ebenso um die soziale Bedeutung von Bühnen- oder Ausstellungseinrichtungen in Krisenzeiten. Andrée Ruth Shammah, künstlerische Leiterin des privaten Mailänder Teatro Franco Parenti, sagte in einem Interview: „Musik und Theater dürfen nicht schließen, sie sind Säulen der Gemeinschaft.“ Der Kunstbuchverleger Massimo Vitta Zelman, zugleich Inhaber der Gesellschaft Mondomostre-Skira zur Produktion von Ausstellungen, beklagte die Einstellung aller Kulturaktivitäten in Mailand: „dann bleibt den Menschen nur noch das Arbeitsleben.“ Die radikalen Schließungen nannte er „total überzogen“.
Ökonomische Auswirkungen
Die ökonomischen Auswirkungen in der Kultur und besonders im Kulturtourismus sind noch gar nicht abzusehen. Das reicht von den Theatern bis zu den Musikveranstaltern, von vielen kleinen privaten Sprachschulen, die um ihre Existenz kämpfen, bis zu den Zulieferern der Mode- und Designindustrie, denen der Absatz wegbricht. Massimo Vitta Zelman rechnet allein für seine unternehmerischen Aktivitäten aus der ersten Schließungswoche – Ausstellungen zum Beispiel über Georges de la Tour und Bookshops in Mailand oder Padua – mit einem Minus von 300.000 Euro. Jetzt, so der Verleger, komme es darauf an, so viele wie mögliche Kulturveranstaltungen wieder zuzulassen, um den Menschen Vertrauen und Zuversicht zurück zu geben. Denn nur die Kultur könne die gesellschaftlichen Grundlagen für einen Neubeginn und einen Aufschwung nach dieser Krise sichern.
Der in einem Regierungsdekret geforderte Abstand von einem Meter zwischen Besuchern gilt auch für Bars, Cafés und Restaurants. Inzwischen können auch Kirchen wie der Mailänder Dom wieder besucht werden, Messe und Gottesdienste dürfen aber nur an Wochentagen abgehalten werden.
Viele deutsche Kultureinrichtungen Norditaliens wie etwa die Goethe-Institute bleiben weiterhin geschlossen. Inzwischen haben auch das Kunsthistorische Institut Florenz sowie die deutschen Kultureinrichtungen in Rom ihren Publikumsverkehr eingestellt.
Auf Cluverius siehe auch „Kultur in Quarantäne“