EINE SINNLOSE ZERSTÖRUNG


Montecassino (1): Vor 75 Jahren bombardierten alliierte Streitkräfte die historische Benediktiner-Abtei südlich von Rom

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Total zerstört – und nichts gewonnen. Montecassino wirkt nach dem Bombenangriff der Alliierten wie eine Mondlandschaft

Montecassino/Mailand – Der Heilige Benedikt von Nursia gründete im Jahr 529 das Kloster von Montecassino. Hier schrieb er die bis heute gültige Klosterregel der Benediktiner, mit der das mittelalterliche Mönchstum begründet wurde. Die Abtei liegt 516 Meter hoch auf dem Gipfel eines Vorgebirges des Apennins. Von diesem Monte Cassino hat man das Liri-Tal mit der antiken Via Casilina, die nach Rom führt, im Blick – und unter Kontrolle. Im Zweiten Weltkrieg spielte sich hier eine der schrecklichsten Schlachten auf italienischen Boden statt.

Zum Ablauf der Ereignisse: Alliierte Truppen landeten im Juli 1943 auf Sizilien. Nach dem Waffenstillstand im September löste Italien sich aus dem Bündnis mit Hitler-Deutschland und wurde von der Wehrmacht besetzt. Als alliierte Einheiten auch bei Salerno südlich von Neapel landeten, bildeten die Deutschen die Gustav-Linie, eine Verteidigungslinie quer durch Italien, die von der Adria bis an das tyrrhenische Meer etwa auf halber Höhe zwischen Rom und Neapel reichte.

Bomben, um die Kontrolle zu erzwingen

Hohe Gebirgszüge bremsten den Vormarsch der Alliierten, an dem sich unter anderem amerikanische, britische und indische Verbände sowie Einheiten aus Neuseeland und Polen beteiligten. Das Liri-Tal südlich von Rom hätte einen Durchbruch geboten, doch der Zugang wurde von den Deutschen von den Hügeln und Bergen aus bei der Stadt Cassino kontrolliert. Strategisch thront das Kloster über den Tal. Hatten sich hier deutsche Truppen verschanzt? Um die Kontrolle zu erzwingen, planten die Alliierten auf Bitte des neuseeländischen Generals Freyberg die Zerstörung der Abtei.

Am 15. Februar 1944 flogen 225 Bomber der US-Luftwaffe unterstützt von Artillerie um 9.45 Uhr einen Angriff auf das Stammkloster der Benediktiner. Etwas später folgte eine zweite Angriffswelle. Ein Dokumentarfilm, der heute im Kloster gezeigt wird, macht das Ausmaß der Luftangriffe deutlich, bei denen über fünfhundert Spreng- und Brandbomben abgeworfen wurden.

Die Mönche überlebten in Kellergewölben

Die Abtei wurde total zerstört. Mehrere hundert Menschen, Flüchtlinge aus den umliegenden Orten, wurden getötet. Obgleich der Angriff am Abend zuvor mit Flugblättern angekündigt worden war, hatten sie das Kloster für eine sichere Bleibe gehalten. Die in der Abtei verliebenden Mönche überlebten das Bombardement in Kellergewölben unterhalb eines Turmes aus der Antike. Bei einer Führung steigt man heute eine steile Treppe tief unter die Anlage zu den Gewölben hinab, in denen Benedikt in den Kellerruinen eines römischen Tempels seine karge Klosterzelle eingerichtet hatte.

Die Alliierten begründeten ihr Vorgehen damit, dass deutsche Militäreinheiten vom Kloster aus den Eingang zum Liri-Tal und damit den Weg nach Rom kontrolliert hätten. Die deutsche Heeresleitung hatte dagegen die Alliierten wissen lassen, dass die Abtei wegen ihres historischen Wertes von Militärstellungen der Wehrmacht ausgenommen geblieben wäre. Die Deutschen hatten 300 Meter entfernt in den Bergen Stellung bezogen. Eine Lüge? Eine Kriegslist? Doch wurde das später von den Mönchen bestätigt. Wegen der Bombardierung kam es zu einer diplomatischen Verstimmung zwischen dem Vatikan und den Regierungen der Alliierten.

Die Schlacht war noch lange nicht entschieden

Vor allem: Gleich nach dem Angriff besetzten deutsche Fallschirmjäger die Ruinen von Montecassino und verhinderten eine Einnahme der strategischen Lage von Seiten der Alliierten. Jetzt war die Deutschen wirklich da, wo die Alliierten sie vorher vermutet hatten. Die Angreifer konnten aus der Zerstörung des Klosters also nicht den erhofften Positionsgewinn ziehen. Die Schlacht um Monte Cassino dauerte unter enormen Verlusten auf beiden Seiten noch weitere drei Monate. Erst im Mai 1944 gelang den Alliierten der endgültige Durchbruch und damit die Befreiung Roms durch General Clark.

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Montecassino heute – sogenannter Kreuzgang des Bramante

Ora e labora – „Bete, arbeite (und lese)“, das ist das Motto der Benediktiner. Mehrfach im Verlauf seiner Geschichte war das Kloster zerstört worden. Zunächst von den Langobarden im Jahr 577, dann von den Sarazenen 883 und schließlich bei einem Erdbeben im 14. Jahrhundert. Doch war es immer wieder neu erstanden. So auch nach 1944. Montecassino wurde, wie es der damalige Abt Ildefonso Rea gefordert hatte, nach alten Plänen getreu wieder aufgebaut „ubi erat, sicut erat“, wo es war und wie es war. Da konnten auch die unermesslichen Schätze der Bibliothek, die zusammen mit kirchlichen Objekten und den Gebeinen des Heiligen Benedikt selbst vor der Bombardierung nach Rom in Sicherheit gebracht wurden, zurück kehren.

Im Oktober 1964 weihte Papst Paul VI. die im alten Stil neu errichtete Klosterkirche ein (hier zur Film-Dokumentation). Und erhob Benedikt von Nursia unter dem Klang der Glocken der Basilika von Montecassino zum Patron Europas.

Siehe auch den Beitrag im Deutschlandfunk (Kalenderblatt) vom 15.2.)

 

Auf Cluverius

Montecassino (2): Der Frieden der Mönche

Montecassino (3): Von Schatten durchzogen