Die Bankenstadt Lugano gönnt sich mit dem LAC ein anspruchsvolles Kulturzentrum
Lugano. In herrlicher Lage zieht sich die Stadt Lugano, das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Tessins, um eine Buchtung des gleichnamigen Lago hin und klettert mit ihren Ausläufern die umgebenen Hügel hinauf. Weniger herrlich zeigen sich die vielen Gebäude, die den Blick zum See suchen. In den vergangenen Jahrzehnten sind vornehmlich banale Betonarchitekturen gewachsen ohne Beziehung zur langen Geschichte des Ortes am kulturellen Schnittpunkt zwischen der Schweiz und Norditalien, wie man sie etwa in der Kirche S. Maria degli Angioli mit den prächtigen Renaissancefresken eines Bernardino Luini entdecken kann. Und genau neben dieser Kirche und dem ehemaligen Kloster, das bereits in der Gründerzeit einem Hotelbau weichen musste, stößt man jetzt auf das neue Kulturzentrum LAC (Lugano Arte Cultura) der Stadt. Am Samstag wurde es nach einer zehnjährigen Planungs- und Bauzeit (Kosten umgerechnet 190 Millionen Euro) mit mehreren Ausstellungen sowie einem Musik- und Theaterprogramm eröffnet.
Das Projekt des Tessiner Architekten Ivano Gianola, das eine Kommission unter Leitung von Mario Botta ausgewählt hatte, geht von einem Licht durchfluteten Zentralbau aus, der sich mit einer Glasfassade zur Piazza Luini an der Uferstraße öffnet. Auf der Rückseite lehnt er sich an einen Hügel, an dessen Hang ein Garten und ein kleines Freilichttheater entstanden ist. Herzstück ist neben der Eingangshalle ein Konzert- und Theatersaal für 1000 Zuschauer, der in Zusammenarbeit mit den Fachleuten der Münchener Akustikfirma Müller-BBM ganz mit Birnenholz ausgekleidet wurde. Vom Hauptgebäude ausgehend schiebt sich ein riegelartiger Seitentrakt über den Platz hinweg Richtung Ufer. In diesem an den Schauseiten mit grünen Marmor aus Guatemala bedeckten Gebäudeteil sind Museums- und Ausstellungsräume untergebracht. Sie werden vom neugegründeten Kunstmuseum der Italienischen Schweiz bespielt, in dem sich eine städtische und eine kantonale Einrichtung zusammen geschlossen haben.
Ein brutaler Einschnitt
Von der Piazza aus wird das Konzept des Architekten verständlich, der hier mit offenen und geschlossenen Baukörpern den dahinter liegenden Hügel gleichsam am Seeufer auslaufen lassen will. Wenn man sich jedoch von der Uferstraße auf die Stadt zu bewegt, schneidet Gianolas dunkler Marmortrakt brutal in die traditionelle Ansicht Luganos hinein. Er wirkt schwer und viel zu groß. So als wollte eine eher von Banken und Hotels geprägten Stadt mit architektonischer Macht unbedingt ein kulturelles Zeichen setzen. Bislang blieben Kunst-Initiativen wie etwa die große Bramantino-Ausstellung im vergangenen Jahr eher vereinzelt. Das soll sich jetzt ändern. Die hochverschuldete Gemeinde rechnet für das LAC mit einem Jahresbudget von umgerechnet 25 Millionen Euro, das gut zur Hälfte von Sponsoren getragen werden soll.
Zur Eröffnung überzeugt das Ausstellungsprogramm.
Im Mittelpunkt steht eine große Schau über das Tessin als Passage für Künstler diesseits und jenseits der Alpen zwischen 1840-1960. Zu sehen sind bis zum 10. Januar rund 150 Exponate von Böcklin bis De Chirico und Morandi, von Turner bis Fontana und Giacometti („Orizzonte Nord/Sud“, Katalog Skira). Im Kellergeschoss zeigt Anthony MacCall seine Lichtskulpturen („Solid Light Works“) Zum LAC gehört außerdem die in einem Nebengebäude untergebrachte hochkarätige Privatsammlung Olgiati zur Gegenwartskunst, die beweist, dass die Stadt bereits in der Vergangenheit mehr zu bieten hatte als langweilige Fassaden. Gemeinsam mit der Sammlung wird jetzt eine Installation von Giulio Paolini ausgestellt.
Zum Abschluss der Eröffnungswochen wird im neuen Saal vom Orchester und Chor des Radios der italienischen Schweiz Beethovens Neunte unter der Leitung von Vladimir Ashkenazy aufgeführt. Wenn die Stadtväter von Lugano Atem genug haben, dieses Niveau eines kulturellen Aufbruchs beizubehalten, wird es mit dem LAC im europäischen Raum zwischen Zürich und Mailand einen neuen Anziehungspunkt geben.
Info: www.luganolac.ch
Erstveröffentlichung in kürzerer Form in der Süddeutschen Zeitung vom 15.9.2015