Die Scala eröffnet ihre Spielzeit mit Giacomo Puccini. Am Pult überzeugt Riccardo Chailly, ansprechend die Sänger, weniger überzeugend die Regie von Alvis Hermanis
Mailand (Teatro alla Scala) – Zur Saisoneröffnung griff die Scala auf einen ihrer größten Misserfolge in der Geschichte zurück – auf die Welturaufführung von Puccinis „Madama Butterfly“ am 17. Februar 1904 an der Mailänder Bühne. Nachdem die Inszenierung beim Publikum wie bei der Kritik durchgefallen war, veränderte der tief enttäuschte Komponist das Stück durch Kürzungen und Umstrukturierungen (u.a. drei statt zwei Akte). Ein paar Monate später gelang der Butterfly nach einer Neuinszenierung in Brescia ein triumphaler Neustart. Heute gehört die tragische Geschichte um die treue Cio-Cio-San aus Nagasaki und ihre enttäuschte Liebe zu dem amerikanischen Marineoffizier F.B. Pinkerton weltweit zu einer der meistgespielten Opern.
Riccardo Chailly, erster Dirigent der Scala, der ab Januar auch die musikalische Leitung der Oper übernehmen wird, wählte nun die Urfassung Puccinis. In der, so Chailly in einem Interview, findet man mehr musikalische Einflüsse japanischer Musik. Sie spitzt außerdem den Zynismus von Pinkerton zu. Die Oper zeige sich mehr noch als in späteren Versionen als ein Werk der Moderne, das weit ins 20. Jahrhundert weise. Und der Erfolg gab Chailly recht, der das glänzend aufgelegte Scalaorchester mit Leidenschaft aber absoluter Präzision dirigierte. Wer Sentimentalitäten suchte, wurde enttäuscht.
Mit amerikanischen Akzent
Dem entsprach weitgehend die Leistung der Sängerinnen und Sängern. Am überzeugendsten Annalisa Stroppa als Diener Suzuki. Maria José Siri spielte und sang die Butterfly mit der notwendigen Sensibilität. Die Sängerin aus Uruguay, die überhaupt zum ersten Mal diese Rolle meisterte, wurde trotz leichter Schwächen bei den tieferen Passagen vom Publikum bejubelt. Etwas weniger Bryan Hymel als Pinkerton, der mit einem leichten amerikanischen Akzent sang, was italienische Kritiker sofort bekrittelten.
Regisseur Alvis Hermanis, der zusammen mit Leila Fteita auch für das Bühnenbild verantwortlich war, entwickelte die Szene auf einem gleichsam Breitwandformat. Über der naturalistischen Hauptszene wurden so weitere Stockwerk gezogen, auf auch Chor und Tänzer auftraten. Meist aber wurden sie mit Illustrationen hinter sich laufend verschiebenden Wänden gefüllt. Was ästhetisch ansprechend wirkte, zeigte sich dramaturgisch eher konventionell. Das galt auch für die Führung der Sängerinnen und Sänger. Man wünscht sich der Scala grundsätzlich mehr Mut bei den Inszenierungen, die ja nicht gleich in „deutsches Regietheater“ ausarten müssen. Aber das ist im eher traditionell gestimmten Mailand ein altes Lied.
Immerhin wurde der Mut belohnt, die Urfassung der Butterfly auch wieder als Vorbild für andere Inszenierungen an anderen Orten spielbar zu machen. In einem gewissen Sinn war das auch eine späte Wiedergutmachung. An die Scala kehrte die Butterfly übrigens nach dem Fiasko von 1904 erst 1925, ein Jahr nach dem Tod Puccinis, unter der Leitung Toscaninis zurück. Im Museum der Oper ist eine kleine gelungene Ausstellung über die Geschichte der Butterfly an der Mailänder Bühne zu sehen.
Siehe auch auf Cluverius die Ausstellung im Museo Teatro alla Scala: Prächtige Kostüme, reiche Dokumente