Matera im Juli 2016 – Schwalben jagen über die Dächer der vielleicht ältesten Stadt der Welt. Aber was heißt schon Dächer. Die Altstadt – die Sassi – hat sich seit Jahrtausenden in Höhlen an den Hängen eines Felssporns, auf dem die Kathedrale thront, ausgebreitet. Was einst als „soziale Schande“ (Carlo Levi) galt, hat sich nach der Umsiedlung der Bewohner in neue Stadtviertel ab 1952 zu einem Anziehungspunkt für Touristen entwickelt. Mit Andenkenläden und Restaurants, etwas zweifelhaften Höhlenmuseen und beeindruckenden Höhlenkirchen. Und Erinnerungsorten zur Geschichte Materas als Drehort für dutzende Filme – von Pasolinis „Evangelium nach Matthäus“ bis Gibsons „Passion Christi“. Bei einer Führung wird stolz eine Requisite aus der jüngsten Ben-Hur-Verfilmung gezeigt – ein aus Weidenholz geflochtener Korb. Hat man so was schon mal gesehen? 2019 darf Matera neben der bulgarischen Stadt Plowdiw den Titel einer europäischen Kulturhauptstadt tragen. Die Preise in den Bars und Cafés sind heute schon danach. Der Amerikanische Autor Michael Cunningham beschrieb gerade im Corriere della Sera hymnisch die „geisterhaften“ Sassi, die „Humanität in reinster und essentieller Weise“ aufbewahren würden. Der Sole 24 Ore ereiferte sich über so viel „Banalität“: „Müssen wir Italiener wirklich, um uns selbst zu versichern, dem Blick eines Fremden nacheifern?“