In Nuoro


© Archivio Spazio Ilisso

Fluchtpunkt Skulpturengarten – Arbeiten von Costantino Nivola und Gavino Tilocca im Spazio Ilisso

Nuoro Ende Juli – Verlassen liegt unter heißer Vormitagssonne die Piazza Satta mit Skulpturblöcken des Bildhauers Costantino Nivola. Erst langsam öffnet sich die alte Stadt Nuoro (35.000 Einwohner) im Herzen Sardiniens nach dem Lockdown wieder dem kulturellen Leben. Museen wie das MAN (mit der aktuellen Ausstellung „Il regno segreto“ über die Beziehungen zwischen der Insel und dem Piemont) sind wieder zugänglich. In der gut sortierten Buchhandlung „Novecento“ in der Via Manzoni kann man nach Neuerungen der sardischen Literaturszene stöbern. Und zum Beispiel die Autorin Graziella Monni, die in Nuoro lebt, und ihren Roman „Gli amici di Emilio“ (Mondadori Editore) über den sardischen Politiker und Intellektuellen Emilio Lussu entdecken. Eine 400 Kilo schwere Bronzestatue von Grazia Deledda (Literaturnobelpreis 1926) wurde gerade am Monte Ortobene aufgestellt. Ganz traditionell hat sie Pietro Longu in lokaler Tracht gestaltet ( – hier ein Video der Einweihung). Da hätte man sich auch etwas mehr Gegenwartskunst trauen dürfen.

Die findet man im Skulpturengarten des Spazio Ilisso. Der 1985 von Vanna Fois und Sebastiano Congiu gegründete Ilisso Verlag kümmert sich von Nuoro aus vorbildhaft um sardischen Kunst und Kultur – es war Ilisso, der in den 1990er Jahren das Gesamtwerk von Grazia Deledda mit Schwerpunkt ihrer Erzählungen wiederentdeckt und in kritischen Ausgaben erneut zugänglich gemacht hatte. Ilisso tritt auch als Kulturveranstalter auf. In einem ehemaligen Wohnhaus aus dem 19. Jahrhundert, dessen Jugendstilelemente liebevoll restauriert wurden, hat der Verlag Ende 2019 auf Initiative von Vanna Fois das kleine Kulturzentrum Spazio Ilisso eingerichtet. In einem kleinen Garten, der auch für Veranstaltungen genutzt werden kann,  sind Skulpturen von sardischen Bildhauern wie Francesco Ciusa, Costantino Nivola oder Pinuccio Sciola zu sehen. In den Innenräumen werden zurzeit Ausstellungen mit Arbeiten der deutschen Fotografin Marianne Sin-Pfältzer (1926-2015), die ihren Lebensabend in Nuoro verbracht hatte, sowie soziale Infografik zu Verhaltensregeln unter Corona-Auflagen gezeigt.

© Cluverius

Corona-poli – Sozialinfografik in der Ausstellung des Spazio Ilisso

An heißen Tagen, wie in diesem Juli, ist der Spazio Ilisso nicht nur ein kultureller, sondern auch ein klimatischer Fluchtraum. Ein anderes Museum, das Museo Sciusa, ist dagegen seit Jahren geschlossen. Das ist ein Armutszeugnis. Das kleine Nuoro, auch wenn es auf eine große kulturelle Tradition und eine lebendigen Literaturszene aufbaut – neben Ilisso hat ebenso der Verlag Il maestrale hier seinen Sitz -, kann sich so etwas eigentlich nicht leisten.

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