Urbino, kurz vor Weihnachten – Urbino leuchtet. Die alte Herzogsstadt in den Hügeln unweit der Adriaküste gibt sich kurz vor Weihnachten am Abend verträumt verschlafen. Tagsüber feiern Studenten die glücklich überstanden Abschlussprüfungen. Frisch gekürte Laureati zeigen sich mit Lorbeerkranz. Alle anderen rüsten sich mit großen Koffern zur Abreise. Der Bus, der von Urbino zum Bahnhof von Pesaro fährt, wird belagert. Im Geburtshaus von Raffael bleibt der Besucher allein. Hier kam Raffaello Sanzio 1483 auf die Welt. 1520 starb er auf dem Höhepunkt seines Ruhmes als Maler und Architekt mit nur 37 Jahren in Rom. 500 Jahre danach feiert die Welt „il divin pittor“ mit Ausstellungen, Veranstaltungen, Büchern, Filmen, TV-Serien. In Urbino hängen überall Kalender aus: „Raffaello 2020“.
Im Palazzo Ducale besucht man eine Ausstellung, die den Spuren Raffaels und seiner Weggenossen in Urbino nach geht. Zu entdecken sind Maler wie Timoteo Viti aber besonders Gerolamo Genga – frech, farbig, ungewöhnlich. Urbino war Ende des 15. Jahrhunderts eine kulturelles Zentrum Mittelitaliens. Federico da Montefeltro , Herzog von 1444-1482, den Piero della Francesca mit seiner gebrochen schiefen Nase porträtierte, hatte den Hof bedeutend gemacht. Seine Kunstsammlung mit Malern aus u.a. den Niederlanden, Norditalien, Umbrien oder der Toskana war dem jungen Raffael eine Kunstschule ( – viele Arbeiten der Sammlung wurden nach der Auflösung des autonomen Herzogtum 1626 in alle Himmelsrichtungen verstreut). Die reiche Bibliothek ließ nichts zu wünschen übrig. Und Vater Giovanni, Hofmaler und Vorbild des Sohns, hatte das Wohnhaus der Sanzios zu einem intellektuellen Treffpunkt der Stadt gemacht. Wann Raffael nach dem Tod des Vaters 1491 Urbino verließ, um in die Werkstadt des Perugino in Florenz einzutreten, ist nicht genau bekannt.
Urbino hatte den jungen Mann intellektuell wie künstlerisch geprägt. Aber mehr noch prägt er heute Urbino. Und an stillen Abenden, wenn letzte Schritte in den Gassen verhallen, sieht man ihn noch im Glanz der Weihnachtslichter unermüdlich auf seinem Sockel oben auf dem Piazzale Roma stehen.
Die Ausstellung „Raffaello e gli amici di Urbino“ im Palazzo Ducale ist noch bis zum 19. Januar zu sehen.