Urbino, Ende August – Italien ist reich an historischen Zentren. Doch wenige Orte lassen in ihrem Stadtbild die Atmosphäre längst vergangener Jahrhunderte so aufleben wie Urbino. Besonders wenn Wolken über die Stadt ziehen und die Reisebusse ausbleiben, kann man sich durch ihren Gassen streifend in den Einsamkeiten des späten Mittelalter und der Renaissance verlaufen. Viele Palazzi aber auch einfache Häuser sind liebevoll restauriert. Erinnerungstafeln, die selbst schon Geschichte scheinen, rufen längst verklungene Namen in die Gegenwart. Wer war der „architetto militare“ Commandino? Zauber verbreiten Kirchen und Kapellen, bleiben geheimnisvoll wie die gotischen Darstellungen im Oratorium des San Giovanni. Sogar wo die Besucher bei gutem Wetter in größeren Gruppen die Spuren eines Raffaels oder eines Federicus Dux aufnehmen, geht es unaufdringlich zu. „Benvenuti a Urbino – welcome to Urbino“ – der Schriftzug der regionalen Verkehrsgesellschaft begrüßt die Ankommenden am neuen Busbahnhof unterhalb der Porta Lucia, dem nach Renzo Piano schönsten Tor der Stadt. Der Bahnhof darunter – ein seelenloses Betonambiente. Zu Füßen von zehn Stockwerken mit Parkdecks und einem Einkaufszentrum, in dem viele Verkaufsflächen unvermietet bleiben. Kälter kann man nicht empfangen werden. Und wenn man von der Busstation mit dem Fahrstuhl hochfährt zur Porta Lucia muss man umsteigen – auf der Höhe eines Supermarktes. Die ganze Anlage wird notdürftig mit Grasdächern kaschiert. Als hätte die Stadt kein Respekt mehr sich selbst gegenüber. Aufdringliche Tristesse einer Gegenwart, die keine Vergangenheit kennt.