Unterwegs in Vigevano


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Urbanes Kleinod, kleinstädtische Idylle: die Piazza Ducale von Vigevano

 Vigevano im März – Auf der Piazza Ducale scheint die Welt noch in Ordnung. Bevor die Touristen kommen, bilden am frühen Vormittag meist ältere Männer in Diskussionen vertiefte Gruppen auf dem historischen Pflaster. Und abends, wenn die letzten Touristen gegangen sind, sind es die Jugendlichen, die die Lokale unter den Arkaden als späte Treffpunkte nutzen. Die Piazza Ducale von Vigevano bildet mit ihrem drei Seiten umlaufenden Portikus aus der Renaissance eine spektakuläre Platzanlage vor der barock-konkaven Fassade der Kathedrale. Knotenpunkt und Salon einer Kleinstadt (rund 60.000 Einwohner) südwestlich von Mailand. Vigevano liegt im Zentrum der Lomellina, einer alten Agrarlandschaft im westlichen Zipfel der lombardischen Provinz Pavia. Die wie ein Bühnenbild wirkende Piazza unterhalb des Castello Sforzescos, an der u. a. Bramante mitgearbeitet hatte, ist immer wieder für Diskussionen gut. Nachdem sie in der Vergangenheit vom Verkehr befreit worden war, möchte die Gemeindeleitung jetzt sogar den Zulieferverkehr am frühen Vormittag in Nebenstraßen verbannen. Laut protestieren die Inhaber der Geschäfte, Cafés und Restaurants.

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Die Collezione Strada hat Eingang in das staatliche archäologische Museum gefunden

Was heute als ein „kirchlicher“ Platz vor der Kathedrale erscheint, war ursprünglich als politisch-ziviler Platz unterhalb vom Herzogspalast konzipiert. Die riesige Anlage des Kastells hatte der Mailänder Herzog Lodovico il Moro am Ende des 15. Jahrhunderts als Landsitz für die Sforza ausbauen lassen. Gegenwärtig wartet sie auf ein überzeugendes Konzept zur öffentlich-kulturellen Nutzung. Es gibt immerhin ein kleines Schuhmuseum, das auf die heute nur noch historische Bedeutung der Schuhindustrie im Umland von Vigevano verweist. Tiefer in die Geschichte führt das sehenswerte archäologische Museum, das in einer der schier unendlich langen Fluchten der ehemaligen Marställe Platz gefunden hat. In der staatlichen Einrichtung (Museo Archeologico Nazionale della Lomellina) begibt man sich auf eine Zeitreise von der Frühgeschichte bis ins Hochmittelalter. Neuer Höhepunkt ist die jetzt vom Staat übernommene Sammlung Strada.

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Prunkstück der Sammlung: die Coppa Aristeas

 Der Agronom und Großgrundbesitzer Antonio Strada (1904-1968), der u. a. in der Lomellina weitflächig Pappeln zwischen die Reisfelder setzen ließ und damit zu einem Mitgestalter des lokalen Landschaftsbildes wurde, hatte eine Sammlung archäologischer Funde zusammengetragen. Sie wurde später durch die Übernahme einer weiteren Privatsammlung aus Mortara noch bereichert. Jetzt wird der gesamte Korpus der Collezione Strada bis Anfang Dezember in einem eigenen, intimen Saal gezeigt, bevor die 260 Exponate aus 30 Jahrhunderten in den Parcours des Museums eingegliedert werden. Meist handelt es sich um hochwertige Grabbeilagen, die bei landwirtschaftlichen Verrichtungen ans Licht gekommen waren: Terrakotta, Keramiken, Schmuck und Gebrauchsgegenstände sowie überraschend viele römische Glasarbeiten aus dem 1. Jahrhundert nach Christus. Darunter der reich dekorierten Kelch aus hellgrünem Glas, der als eine der wenigen ganz erhaltenen Arbeiten des antiken Glasmeisters Aristeas gilt. Aristeas lebte vermutlich unter Augustus im heutigen Libanon. Dieser und ähnliche Funde aus dem Nahen Osten belegen die engen Handelsbeziehungen der Lomellina mit entfernten Teilen des römischen Weltreiches.

 Gewiss wird die Collezione Strada mit der Coppa di Aristeas in der touristischen Wahrnehmung von Vigevano nicht in Konkurrenz zur Piazza Ducale treten. Aber sie kann einem Besuch der malerischen Kleinstadt unweit des Ticino-Flusses einen zusätzlichen Akzent schenken.

 

Collezione Strada. Bis 4.12. Museo Archeologico Nazionale della Lomellina, Piazza Ducale 20, Vigevano (PV). Di-Fr 9-14 Uhr, Sa-So 9-17 Uhr, Eintritt frei.