Auf Sardinien wurden erneut Großskulpturen aus der späten Nuraghenzeit gefunden
Cagliari (November 2014). Die „Giganten von Mont’e Prama“, überlebensgroße Sandsteinfiguren vermutlich aus dem 9. oder 8. Jahrhundert v. Chr., gehören seit kurzem zu den Höhepunkten der archäologischen Museen von Cagliari und Cabras auf der Mittelmeerinsel Sardinien. Das sind archaische Darstellungen von Bogenschützen, Kriegern und Handschuhkämpfern. Bei mehreren Grabungskampagnen zwischen 1975 und 1979 legten Wissenschaftler in Westsardinien unweit von Cabras (Provinz Oristano) kleine Bereiche einer vermutlich ausgedehnten Nekropole aus der Zeit der späten Nuraghen-Kultur am Hang des Hügels Mont’e Prama frei. Direkt über den Grabanlagen stieß man dabei auf Tausende Fragmente dieser Sandsteinfiguren mit einer von bislang auf Sardinien und im westlichen Mittelmeerraum unbekannter Körpergröße bis zu 2,10 Metern. Einige Archäologen vermuten sogar, dass es sich um die älteste freistehende Großplastik in Europa überhaupt handeln könnte. Stilistische Elemente etwa an den Gürteldarstellungen lassen auf Einflüsse etwa aus Zypern aber auch aus dem iberischen Gebiet schließen. Jahrzehntelang blieben die Fragmente jedoch in Lagerräumen verborgen, bis man endlich 2007 auf Druck der Öffentlichkeit begann, sie zu restaurieren und zu insgesamt 38 Statuen zusammen zu setzen. Erst im April dieses Jahres 2014 fanden sie dann eine wissenschaftlich würdige und zugleich fürs Publikum attraktive Ausstellung in den Museen von Cagliari und Cabras.
Neue Funde von fast ganz erhaltenen Statuen
Sie werden bald Zuwachs bekommen. Denn in diesem Sommer (2014) haben nach einer Unterbrechung von 35 Jahren weitere Ausgrabungen bei Mont’e Prama auf einem etwa zwölf mal fünf Meter großen Areal begonnen. Und wer Anfang Oktober auf das Gelände kam, konnte beobachten, wie das Archäologenteam der Universitäten Sassari und Cagliari gerade zwei weitere Statuen freilegten.
Eine davon, ein Cestus-Kämpfer, ist zum ersten Mal mit Kopf, Körper, Armen und Beinen fast ganz erhalten. Bislang hatte man immer nur Teile gefunden und einander zugeordnet. Die Archäologen hoffen jetzt auf weitere Finanzmittel, um die Grabungen auszuweiten. Nach Probeuntersuchungen umfasst das antik genutzte Gelände unterhalb des Mont’e Prama, das zum überwiegenden Teil unerforscht ist, eine Fläche von 5 bis 6 Hektar. Wobei es auch immer wieder zu zerstörerischen Raubgrabungen kommt, obgleich in der Nekropole bislang keine Grabbeilagen aufgetaucht sind.
Während Genetiker antike DNA-Spuren in den Gräbern selbst sichern wollen, suchen Archäologen vor allen nach Antworten auf Fragen nach der ursprüngliche Aufstellung der Figuren und den Grund ihrer Zerstörung. Ersten Theorien nach könnte es sich bei Mont’e Prama um eine Nekropole mit einer Art Heroon handeln. Einem Kultort der Oberschicht der Nuraghen-Gemeinschaft, den eine monumentalen Straßenanlage durchzog, an deren Rand die „Giganten“ zur Feier militärischer und religiöser Werte aufgestellt waren. Eine andere Hypothese vermutet eine kreisförmigen Aufstellung. Unter den beteiligten Archäologen (unter anderen Raimondo Zucca und Paolo Bernardini von der Universität Sassari und Alessandro Usai von der Universität Cagliari) gilt jedenfalls als sicher, dass die Statuen absichtlich mit Gewalt zerstört und auf die Grabanlagen geworfen wurden. Möglicherweise bei der Eroberung der sardischen Küsten durch die Punier im 6. Jahrhundert v. Chr.