Videodramen von Diego Marcon in einem Puppentheater. Seit 20 Jahren nutzt die Fondazione Trussardi Mailand als Spielfläche für Kunstaktionen
Mailand – Es begann vor zwanzig Jahren mit einer Installation von Elmgreen & Dragset, die einen Wohnwagen-Anhänger aus dem Boden der Mailänder Galleria gleichsam herausbrechen ließen. Unter der künstlerischen Leitung von Massimiliano Gioni präsentiert die Fondazione Trussardi (Präsidentin Beatrice Trussardi) seitdem jährlich eine mehr oder weniger provokante Aktion von zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern an wechselnden, oft überraschenden Orten Mailands und nutzt die Stadt als ein „museo mobile“. In diesem Jahr sind Videoarbeiten von Diego Marcon in der Spannung zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen, die unter dem Titel „Dramoletti“ in der ehemaligen Puppenbühne Teatro Gerolamo zu sehen sind. Das Theater, ein architektonisches Kleinod aus dem 19. Jahrhundert, wird wegen seiner Eleganz auch „la piccola Scala“ genannt.
Im Zentrum der Installation von Diego Marcon (Busto Arsizio 1985) steht das Video „Ludwig“. Ein Junge singt im Bauch eines Schiffes nur von der Flamme eines Streichholzes und einigen Gewitterblitzen erhellt ein merkwürdiges Gutenachtlied und wünscht auf immer zu verschwinden. Eine Anspielung auf die Figur des „verrückten“ Königs Ludwig II. von Bayern? In einem weiteren Video „The Parents Room“ geht es um monströs geschminkten Darstellern, die eine Lied über Gewalt und Alltag vortragen. Die Arbeiten (neben den Videos auch Zeichnungen) strahlen eine Theatralität aus, die vom Ambiente des Teatro Gerolamo noch unterstrichen wird. Der Bau des Theaters wurde 1868 von demselben Unternehmen durchgeführt, das auch die Galleria Vittorio Emanuele errichtet hatte – dort wo die Trussardi-Stiftung 2003 mit ihrem „mobilen Museum“ begonnen hat.
In den zwanzig Jahren ihrer Aktivität hat die Stiftung Arbeiten u. a. von Maurizio Cattelan oder Paola Pivi, Fischli& Weiss oder Pipilotti Rist, Ragnar Kjartansson oder Nari Ward (hier auf Cluverius) präsentiert. Und dabei Orte wie eine ehemalige Pestkirche, bislang verschlossene Säle eines Barockpalastes, ein Stadttor aus dem Klassizismus oder ein Schwimmbad der 1920er-Jahre bespielt. Die Fondazione Trussardi ist eine Nonprofit-Einrichtung zur Förderung von Gegenwartskunst. Die Kulturstiftung steht in keiner ökonomischen Verbindung zum Mode-Unternehmen. Finanziell wird die Stiftung neben Beatrice Trussardi, Leiterin seit 1999, von ihrer Schwester Gaia und ihrer Mutter Maria Luisa Gavazzeni als Mitgliedern getragen sowie von privaten Sponsoren unterstützt.
Fondazione Nicola Trussardi: Diego Marcon „Dramoletti”. Teatro Gerolamo. Bis 30. Juni 2023