Ferrara im November, dichter Nebel begrüßt den Ankommenden am frühen Morgen. Man stapft durchs Laub entlang einer langen Allee zum Zentrum der alten Stadt der Mathilde von Canossa, des Ercole d’Este und der Finzi Contini. Es riecht merkwürdig nach frisch gemähtem Gras. Kaum sind die Backsteingebäude am Straßenrand zu erkennen. Scheinwerfer bohren auf der Fahrbahn durch die dickfeuchte Luft lange Trichter, die sich aber schnell wieder auflösen. Ein Zeitungsstand erscheint einer metaphysischen Insel gleich unter dem Kegel einer Laterne. Gespensterhaft taucht das Castello auf, mächtige Türme verlieren sich im grauen Nichts. Und je näher man kommt, huschen Schatten vorbei. Schemenhaft erkennt man Gestalten, die fleißig putzen, räumen, hin und her huschen. Was geht hier vor? Heinzelmännchen in Ferrara? Später, nach einer Verabredung, trifft man in der Via Garibaldi auf die gleichen Bewegungen. Doch jetzt hat blasses Sonnenlicht den Nebel zu feuchten Schlieren auf das Kopfsteinpflaster gedrückt. Und man erkennt: Die Heinzelmännchen, das sind die Arbeiter der Stadtreinigung. Ferrara wird geputzt. Der Staatspräsident hat seinen Besuch angesagt. Er will eine Ausstellung über Giorgio de Chirico im Palazzo dei Diamanti eröffnen. Und im Castello Werke von Boldini und De Pisis besichtigen. Die sind hier untergebracht, weil das Stadtmuseum seit dem Erdbeben vor drei Jahren geschlossen ist. Ferrara bleibt eine vom Beben verwundete Stadt. Aber blitzsauber.