Die Arbeit von Architekten in Deutschland und Italien: zwei Bau-und Planungswelten – und unterschiedliche Mentalitäten. Ein Gastbeitrag von Clemens F. Kusch
Venedig – Italien und Deutschland sind schon immer zwei Länder mit einer besonderen Beziehung gewesen, bei der meist mehr die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten hervorgehoben werden. Die Tätigkeit in den beiden Ländern ist nicht nur in der Architektur von vielen (Vor-)urteilen gekennzeichnet: die Arbeit der Italiener ist von der Phantasie und die der Deutschen von der Organisation geprägt, Italiener improvisieren und Deutsche programmieren, der Italiener gibt sein Bestes in Stress-Situationen, während der Deutsche in Panik gerät, wenn nicht alles nach den Plänen verläuft, oder der Italiener schreibt den persönlichen Beziehungen und dem „feeeling“ unter den Arbeitspartnern mehr Bedeutung zu, während bei den Deutschen die Sachen unabhängig von den Personen funktionieren müssen.
Dem Italiener erscheint der Deutsche so als gut organisiert und sorgfältig, aber manchmal steif und hochmütig, während in den Augen der Deutschen die Italiener als unorganisiert und ungenau erscheinen, aber die Fähigkeit haben im Stress zu improvisieren und die Probleme in letzter Minute zu lösen.
Italien, so bekannt und doch ein unbekanntes Feld
Mit dieser Situation, gekennzeichnet von zwei Mentalitäten, hatte sich das Hamburger – international aktive – Büro gmp Architekten (Gerkan, Marg und Partner) konfrontieren müssen, als sie in Italien tätig wurden. Erst für eine Ausstellung im Rahmen der Architektur-Biennale 1996 und im Jahr darauf mit der Planung der Messe Rimini, ein wichtiger Auftrag, der in Folge eines gewonnen internationalen Wettbewerbs erteilt wurde. In den Jahren war es noch eine Ausnahme, dass ein ausländischer Architekt für ein großes öffentliches Bauvorhaben in Italien beauftragt wurde und auch für das Büro gmp war es einer der ersten großen Aufträge im Ausland.
In Italien tätig zu sein, bedeutete sich in ein wohl bekanntes Land zu begeben, was das große architektonische Erbe der Vergangenheit angeht, das in den Geschichtsbüchern oder während der Bildungsreisen – fast eine Pflicht für jeden Intellektuellen aus dem Norden – studiert wurde, aber sicher ein unbekanntes Feld in Bezug auf die Prozeduren und der „Praxis“ eines öffentlichen Baus und einer großen Baustelle.
Mit einer „deutschen“ Haltung, etwas hochmütig und ohne Bereitschaft auf die Besonderheiten und die Eigenheiten des Landes einzugehen, wäre man nicht weit gekommen. Volkwin Marg hat dagegen von Anfang an eine pragmatische Haltung des Dialogs und des Austauschs gewählt, gewillt die eigenen Auffassungen durchzusetzten, aber immer mit einem offenen Ohr für die Bedürfnisse und Hinweise des Bauherrn und mit einer Bereitschaft, die lokalen Gegebenheiten zu verstehen.
Als dann ein Bauherr, wie im Fall der Messe Rimini, sich ebenfalls gleich offen für den Dialog und den Austausch zeigte, war dies eine optimale Voraussetzung für eine konstruktive Zusammenarbeit, die mit der Realisierung der Messe und der anschließenden Erweiterungen sowie dem neuen Kongresszentrum seine erfolgreichen Früchte gezeigt hat. Eine Haltung der gegenseitigen Anerkennung zwischen dem Architekten Volkwin Marg und seinem Bauherrn in der Person des Vorsitzenden der Messegesellschaft, Lorenzo Cagnoni, die noch heute anhält (trotz der Tatsache, dass sie keine gemeinsame Sprache sprechen).
Der Bauherr: wie formuliere ich meine Wünsche
Die Bedeutung einer guten Beziehung zu dem Bauherrn war dem Architekten aus dem Norden aufgrund seiner Erfahrung natürlich bewusst, aber schnell stellte sich heraus, dass sich die Auffassung der Aufgaben des Bauherrn in den beiden Ländern stark unterscheidet.
Bei der ersten Bearbeitung eines Projekts oder bei einem ersten Termin mit dem Bauherrn, waren die deutschen Architekt immer wieder verwundert, wie wenig Angaben der Bauherr über die Bauaufgabe lieferte. Wenn in Deutschland vor der Beauftragung eines Architekten eine eingehende Studie zu den verschiedensten Aspekten der Bauaufgabe und den allgemeinen Bedingungen gemacht wird, die dem Architekten in Form eines meist üppigen Dossiers überreicht wird, haben wir in Italien von unseren Bauherrn meist nur sehr kurzgefasste und oft recht allgemeine Informationen bekommen.
Bei einem ersten Termin mit einem Bauherrn für einen Direktauftrag – ohne Auswahlverfahren oder Wettbewerb – wurden uns die Bedürfnisse oft nur mündlich übermittelt, mit Angabe von allgemeinen Informationen oder Hinweisen über die Funktionen und die zur Verfügung stehenden Mittel, aber es wurde uns gleichzeitig nahegelegt die Aufgabe und manchmal sogar die notwendigen Mitteln nach der eigenen Erfahrung zu präzisieren.
Bei unseren italienischen Projekten ist es passiert, dass wir als Funktionsprogramm für ein Bauvorhaben für mehrere Millionen Euro eine halbe maschinengeschriebene Seite bekommen haben, von der man den Eindruck hatte, dass sie schnell vor dem Termin zusammengestellt wurde oder wir wurden sogar aufgefordert ein Protokoll der Besprechung zu machen, um das Funktionsprogramm zusammenzufassen.
Wenn dies für einen privaten Bauherrn, der sein Bauvorhaben selber finanziert vielleicht noch verständlich sein konnte, ist es uns sicher eigentümlich vorgekommen, wenn dies bei einem öffentlichen Vorhaben mit Zuschlag auf der Grundlage von Referenzen, einem Honorarangebot oder eine Erläuterungsbericht zu der „Planungsmethodik“ passierte. In diesem Fall musste der Bauherr für die Formulierung der Ausschreibung gezwungenermaßen die eigenen Bedürfnisse zusammenfassen, auch wenn man dann entdeckte, dass die formulierten Bedürfnisse nicht so „absolut“ waren und nicht so streng genommen werden mussten. Durchaus konnten sie anschließend geändert und neu formuliert werden, auch in Folge eines direkten Austauschs, bei dem auch die Erfahrungen, die der Architekt mit sich bringt, zur Geltung kommen.
Der Projekt-Manager: Wer ist das?
Den Architekten nur so allgemeine und unverbindliche Angaben zu geben, wäre in Deutschland kaum denkbar. Bei einem ersten Termin oder bei der Beteiligung an einem Wettbewerb wird dem Architekten ein ausführliches Dossier mit einer detaillierten Angabe zu den Bedürfnissen, den städtebaulichen Rahmenbedingungen, der Geschichte des Ortes, den Flächen für die verschiedenen Funktionen und die Beziehung zwischen diesen, bis zu dem Angaben zu den Quadratmetern der Funktionen bis hin zu Toiletten- und Lagerräume zur Verfügung gestellt. Ein Detail und eine Sorgfalt der Informationen, die in Deutschland – wo das System der Wettbewerbe eine etablierte Tradition hat – die Regel ist, während in Italien eine akkurate Ausschreibung eine Ausnahme ist.
In der deutschen Praxis hat sich für diese Aufgaben die Rolle des Projektsteuerers etabliert, ein dritte Einheit in der Beziehung des Bauherrn mit dem Architekten, der zwischen den zwei Parteien vermitteln und eben steuern soll. Die großen Projektsteuerungsfirmen, wie beispielweise Drees&Sommer, sind inzwischen in Deutschland fest in den Planungsprozess einbezogen, im Unterschied zu Italien, wo es keine Gewohnheit einer Zusammenarbeit in diesem Sinn gibt. Wenn so der deutsche Architekt und Bauherr auf eine konkrete Hilfestellung bei dem Planungsprozess zurückgreifen muss, passiert es in Italien immer wieder, dass die Zuständigkeiten ständig hin und her geschoben werden.
Die Änderungen während der Planung: Falle für Termine und Kosten
Das Fehlen eines detaillierten Funktionsprogramm, das dem Architekten zu Anfang seiner Tätigkeit übergeben wird, hat die Folge, dass die Bedürfnisse von Räumen, räumlichen Beziehungen und Ausstattungen im Laufe der Planung meist über mehrere Annäherungen und Terminen präzisiert werden muss. Mit dieser Logik ist der Bauherr der Auffassung, dass er zu jeder Zeit vom Architekten Änderungen und Anpassungen auch bei fortgeschrittener Planung oder sogar nach Baubeginn fordern kann, ohne sich bewusst zu sein, welche Folgen dies auf Kosten und Termine hat. Dem Architekten wird vielmehr nahgelegt er sei verpflichtet die Forderungen umzusetzen und die daraus entstehenden Probleme anzugehen und zu lösen.
Änderungen bei fortgeschrittener Planung gibt es sicher in beiden Ländern, aber die Art sich damit zu konfrontieren ist anders. In Italien werden Änderungen fast als ein „natürlicher“ Ereignis im Planungsprozess angesehen und es bestehen keine Zweifel, dass der Architekt verpflichtet ist diese umzusetzen, ohne groß die Folgen für die Kosten und Termine zu analysieren. In Deutschland versucht man dagegen jedem Änderungswunsch in eine Systematik einzuordnen, um damit zu versuchen genau die Folgen zu erkunden (aber das gelingt auch nicht immer).
Normen und Prozeduren: das Kreuz der Planung
Ein weiterer Aspekt der die Planungstätigkeit in Italien und Deutschland stark unterscheidet und bezeichnend ist für die Unterschiede der Mentalität ist die Organisation und Durchführung von Planungsbesprechungen, die während der Planungs- und Bauphase notwendig sind. Auch hier war für gmp ein Anpassungs- und Lernprozess notwendig, um sich an die örtlichen Gepflogenheiten zu gewöhnen und die Arbeit entsprechend zu organisieren. Wenn in Deutschland bei den Planungsbesprechungen die teutonische Organisation voll zur Geltung kommt, sind in Italien die Verhältnisse entschieden anders.
Eine „deutsche“ Baubesprechung wird sorgfältig mit einer genauen Tagesordnung vorbereitet, der Ablauf ist meist pünktlich und geordnet. Die Beteiligten halten sich streng an die Tagesordnung und beteiligen sich geduldig auch wenn es um Argumente gibt, die sie nicht direkt angehen. In Italien ist es dagegen schwierig 5/6 Personen für 2 oder 3 Stunden oder gar einen halben Tag gemeinsam an einem Tisch zu halten. Es benötigte anfangs viel Geduld für die Architekten, die deutsche Verhältnisse gewohnt waren, die Besprechungen zu verfolgen, meist auch vermittelt von Übersetzungen, die gezwungenermaßen nicht alles wiedergeben konnten, denn nach einer Weile verzettelten sich die Gespräche in einzelne Gruppen, oder einige verlasen die Besprechung, um zu telefonieren oder um sich mit Anderem zu beschäftigen, wenn die besprochenen Argumente sie nicht direkt interessieren. Oder es wurde von einem Argument zum anderen gesprungen, mit großer Schwierigkeit die Disziplin zu halten und geordnete die Argumenten zu verfolgen.
Auch nach der Besprechung mit der Protokollierung zeigten sich klar die Unterschiede. Wenn in Deutschland die Protokollierung einer Besprechung rigoros und detailliert durchgeführt wurde, oft mit anschließenden Präzisierungen und Richtigstellungen, wird In Italien das Erstellen von Protokollen nicht so streng aufgefasst und oft wird es als eine nicht unbedingt notwendige Mühe angesehen. Nicht dass in Italien keine Protokolle gemacht werden, aber es passiert viel seltener, dass ein Protokoll einer vergangenen Besprechung oder ein vergangenes Schreiben herausgeholt wird, um eine Entscheidung zu gerechtfertigten. Denn auch wenn dort etwas geschrieben ist, was die Entscheidung in Frage stellt, heißt es immer noch nicht, dass sich nun die Bedingungen geändert haben und jetzt etwas anderes entschieden wird. Das heißt, die Protokolle haben keinen so absoluten Wert, der nicht in Frage gestellt werden kann. Eine vergangene protokollierte Entscheidung in Deutschland in Frage zu stellen, ist dagegen kaum möglich und wird als unkorrektes Verhalten angesehen.
Diese deutsche Notwendigkeit, alles sorgfältig zu Papier zu bringen, geht weit über die Erstellung von Protokollen hinaus. Bei der Organisation eines großes Bauvorhabens kann man in Deutschland fast einen „Wahn“ der Erstellung von Protokollen und Listen beobachten. Die Erstellung von langen Listen mit der Aufstellung der für jeden Planungsbeteiligten durchzuführenden Tätigkeiten erzeugt manchmal den Eindruck, dass der Zweck der Tätigkeit von vielen Beteiligten das Erstellen der Listen ist und man dabei den wahren Zweck der Arbeit aus den Augen verliert. Manchmal erscheint es, dass das Erstellen und Verteilen einer Liste für viele Planungsbeteiligte die Lösung eines Problems ist, anstelle die Probleme direkt anzugehen. Dies ist ein Weg, die Verantwortung einer Entscheidung nicht direkt zu übernehmen, sondern an eine nicht definierte Kollektivität zu übertragen. Diese Tendenz, die man mit unterschiedlichen Abwägungen in beiden Ländern beobachten kann, hat den Planungsprozess um vieles kompliziert und manchmal in schwerwiegenden Verzögerungen und Kostensteigerungen geführt.
In dieser Praxis muss man jedem Prozess oder jeder Aktion auch einen genauen Namen geben, oft zusammengesetzt aus mehreren Begriffen. Und auch die verschiedenen Besprechungen je nachdem, wer sich an der Besprechung beteiligt und welche Themen angegangen werden, haben einen anderen Namen: Planungskoordination, Planerjour-Jour-fix, Lenkungsrunde, Steuerungsrunde. Jeder Name hat dann natürlich auch seine Abkürzung und für einen nicht Eingeweihten, der beispielsweise nicht alle Phasen der Planung mitverfolgt hat, wird dies zu einem fast nicht lösbaren Enigma, da man nicht in die Verlegenheit kommen möchte zu fragen, was die eine oder andere Abkürzung bedeutet.
Die Spezialisten: Hilfe oder Hindernis?
Die Ent-Verantwortung der Beteiligten an einem Planungsprozess ist sicher eine Folge der weitreichenden Aufteilung der Planung mit immer mehr Beteiligten, wo jeder nur auf seinen eigenen Fachbereich schaut, ohne sich groß darum zu kümmern, welche Folgen die eigenen Entscheidungen oder Haltungen auf die Gesamtplanung haben. Jeder einzelne kann ja immer zur eigenen Rechtfertigung auf die Normen und Vorschriften zurückgreifen, die ihm genau das vorschreiben und von dem er in keiner Weise absehen kann. Dieser Prozess der Ent-Verantwortung bei einem ständig wachsenden Normenapparat ist sicher einer der schwerwiegenden Probleme bei einem Planungsprozess und dies ist in den beiden Ländern sicher eine Gemeinsamkeit.
Hierbei hat der Architekt seine Zentralität bei dem Planungsprozess verloren, weil er nicht mehr die Kenntnisse aller einzelnen technischen Wissen und des umfassenden Normenapparats hat und auch nicht haben kann. Wenn in der Vergangenheit für die Planung eines Gebäudes unter der Regie eines Architekten die Zusammenarbeit mit einem Haustechniker und einem Tragwerksplaner ausreichend war, sind heute an einem Projekt einer gewissen Größe eine immer größer werdende Anzahl von Fachplanern beteiligt, jeder spezialisiert in seinem Sektor von der Planung der verschiedenen Kategorien der Haustechnik und des Tragwerks, bis hin zu den thermischen und akustischen Isolierungen, der Fassadenplanung, des Brandschutzes, der Sicherheit am Bau, bis zu den verschiedenen Projektsteuerern, Cost-Controllern, so dass eine Architekt-Demiurg nicht mehr existieren kann.
Die Notwendigkeit einer immer größeren Reglementierung, auch gefördert durch die Bauindustrie, aller einzelnen Phasen eines Planungs- und Realisierungsprozess mit einem ständig wachsenden Apparat von Normen, Regeln, Vorschriften, Richtlinien und Gesetzen ist eine unaufhaltsame Tendenz in allen Ländern und unterscheidet sich nicht viel in Italien und Deutschland. Mit einem aufklärerischen Geist meint man, alle einzelnen Aspekte „normieren“ zu können, um so eine bessere Kontrolle des Planungsprozess und des finalen Ergebnisses zu erreichen. Dabei vergisst man zu oft, dass ein Großteil der heute bestehenden Bausubstanz ohne diese Regeln gebaut worden sind und heute mit einer konstruktiven und städtebaulichen Qualität, die oft höher ist als neuer Bauten, noch weiter bestehen.
Es bestand in der Vergangenheit eine Praxis des Bauens die in erster Linie aus der Erfahrung ihr Wissen entnahm, ohne das Bedürfnis diese Erfahrung in einem engen Korsett zu kodifizieren. Sicher sind die Vorteile einer Reglementierung eines statisch geeigneten Tragwerk, oder die Normen einer sicheren Elektroplanung, wie auch ein brandsicheres Bauen unleugbar, jedoch erscheint inzwischen der Normenapparat über jede Grenze gewachsen zu sein und viele Regeln scheinen mehr die Bauindustrie zu fordern als eine bessere bauliche Qualität zu erreichen.
Wenn der ständig wachsende Normenapparat eine Gemeinsamkeit ist, gibt es jedoch auch hier entscheidende Unterschiede in den beiden Ländern. Wenn in Deutschland (mehr oder weniger) Klarheit besteht, welche Norm in dem einen oder anderen Fall angewandt werden muss, ist dies in Italien häufig nicht der Fall. Die Gesetze, Normen und Vorschriften verteilen sich auf nationale, regionale und kommunale Ebene, was nicht weiter schlimm sein würde, wenn man wüsste welche Regel nun gültig ist, wobei nicht selten verschiedene Normen auch im Kontrast stehen. Die Änderungen von Regeln und Gesetzen ist zusätzlich so häufig, dass nicht immer klar wird, wann welches Gesetz angewandt werden muss. Wenn die Auseinandersetzung mit den Regularien dann auch in einer anderen Sprache erfolgt oder wenn man auf unsichere Übersetzungen einer schwierig formulierten Juristensprache zurückgreifen muss, wird der Schwierigkeitsgrad noch höher.
Haustechnik und Tragwerk: Anforderungen und Problemen
Was das Planen und Bauen zusätzlich kompliziert hat, ist sicher auch die immer wachsende technische Ausstattung eines Gebäudes. Wenn in der Vergangenheit die Technik einen kleinen Anteil von den Kosten ausmachte, belaufen inzwischen die Kosten der technischen Anlagen der verschiedenen Kategorien zwischen einem Drittel und der Hälfte der Gesamtkosten.
Die immer wachsenden Anforderungen, die an die Technik eines Gebäudes gestellt werden, führen nicht nur zu wachsenden Kosten, sondern die Technik nimmt immer mehr Platz eines Gebäudes ein und verkompliziert beträchtlich die gesamte Planung, da auf immer mehr Aspekte der Technik nicht nur in den versteckten Technikräumen, sondern auch in den sichtbaren Bereichen der Räume Rücksicht genommen werden muss. Wenn heute gewisse technische Leistungen eines Gebäudes als unumgänglich betrachtete werden, muss man sich fragen wie es unseren Vorfahren gelungen ist Paläste, Kirchen und Museen zu bauen, in denen es kaum Technik gibt und die heute noch bestehen und als Vorbilder gelten.
Sicher sind eine korrekte Heizung und Toiletten eine großen Gewinn der Zivilisation, aber zu fordern das die Temperatur zum Beispiel in einem Museum oder in einem Wohnhaus nicht um mehr als +/- 2 Grad schwanken darf, bei Schwankungen der Außentemperatur von bis zu 40 Grad erreichen und dies gemessen an den extremen Werten der letzten 100 oder 200 Jahren, ist die Frage der „Angemessenheit“ sicher berechtigt. Da stellt man sich die Frage, wie die Menschen früherer gelebt haben und wie die unzähligen Bilder, die in den vielen Kirchen und Palästen aufbewahrt sind, in denen kaum museale Bedingungen herrschen, bis heute gut erhalten wurden.
Clemens F. Kusch (1963 in Rom geboren), studierte Architektur an der Universität IUAV Venedig, wo er 1993 promovierte und seitdem als Gastprofessor unterrichtet. 1995 gründete er das Architekturbüro cfk architetti. Seit 1997 besteht eine Zusammenarbeit als Kontaktarchitekt und Projektsteuerer mit dem Architekturbüro gmp (gerkan, marg und partner) aus Hamburg für sämtliche Projekte in italien. Er ist Autor (zusammen mit Anabel Gelhaar) eines „Architekturführer Venedig“ (DOM publisher, Berlin. 288 Seiten, 38 Euro)