Italien und das Wasser: ein Lebensmittel und Kulturgut, um das gekämpft wird.
Mailand/Rom – Es ist heiß in Italien, über 40 Grad sind die Temperaturen in den ersten Augusttagen gesteigen. Fehlender Regen und diese lang andauernde Hitzewelle wie seit hundert Jahren nicht mehr haben das Land ausgetrocknet. Wald- und Buschbrände nehmen zu und das Wasser wird knapp. In Rom läuten alle Alarmglocken, obgleich man hier seit der Antike über ein weitverzweigtes Netz zur Versorgung der rund 3,8 Millionen Einwohner in und um die Hauptstadt verfügt. Doch seit Jahrzehnten ist kaum etwas getan worden, um die 5.400 Kilometer Leitungen im Stadtgebiet zu erneuern. Über 44 Prozent des eingespeisten Wassers geht unterwegs verloren – im Landesdurchschnitt sind das 38 Prozent, in Mailand sogar nur 16 Prozent. Umgekehrt sind die Römer Landesmeister im Wasserverbrauch: durchschnittlich 300 Liter pro Kopf und Tag gegenüber 245 Liter im restlichen Italien.
Denn mit der zunehmenden Trockenheit drohte der Hauptstadt ein akuter Wassernotstand. Der Vatikan legte vorsorglich seine Brunnen still. Kein Wasser sprudelt mehr auf dem Petersplatz oder in den Gärten des Papstes. In die Kritik gerieten die sogenannten „nasoni“, die kleinen Trinkwassersäulen in ganz Rom, von denen viele ohne Hahn endlos fließend Wasser spenden.
1,5 Millionen Römern im Nordwesten der Stadt sollte sogar stundenweise das Wasser ganz abgestellt werden. Die Regionalverwaltung hatte zunächst einen Stopp der Versorgung aus dem 33 Kilometer nordwestliche gelegenen Bracciano-See angeordnet, dessen Wasserstand weit unter den Pegelnullpunkt gesunken ist.
Streit um die Wasser des Lago di Bracciano
Wütend reagierte Roms Bürgermeisterin: „Unverantwortlich!“ beschwerte sich Virgina Raggi von der 5-Sterne-Bewegung. Die Bürgermeisterin suche immer nur die Schuld bei anderen, konterte Regionalpräsident Nicola Zingaretti von dem sozialdemokratischen PD. Doch konnte jetzt eine Rationierung gerade noch verhindert werden, als die Region Latium schließlich einer – wenn auch verminderten – Entnahme aus dem See zustimmte.
Der italienische Geologenverband kritisierte nicht nur die römische Stadtverwaltung, die völlig unvorbereitet einer „absehbaren Krise“ entgegen geschlittert sei, sondern auch die Politik der Region Latium, in dessen maroden Leitungen schlimmer noch als in der Hauptstadt sogar 67 Liter von 100 eingespeisten Litern verloren gingen. Und ohne Kontrolle könnte etwa rund um den Lago di Bracciano mit illegalen Brunnen Wasser für die Landwirtschaft „entwendet“ werden. Inzwischen ermittelt hier die Staatsanwaltschaft wegen möglicher Illegalitäten und auch bei den römischen Wasserwerken.
Die Sorgen der Touristen
„Habt ihr überhaupt noch Wasser?“ Römische Hotels und Pensionen in ganz Italien erhalten Anrufe von besorgten Touristen aus dem Ausland. Weltweit berichten inzwischen Medien über einen angeblichen Notstand zwischen Como und Comiso. Der lange Zeit lässige Umgang mit der Wasserversorgung habe jetzt zu einem „enormen Imageschaden“ geführt, wie Giuseppe Roscioli, der Präsident der römischen Hotelunternehmer, beklagt. Er fürchtet besonders einen Rückgang bei Last-Minute-Buchungen.
Die Stadt Rom steht im Blickpunkt der Öffentlichkeit, betroffen ist aber die Landwirtschaft in ganz Italien, die rund 54 Prozent des Wasserhaushaltes verschlingt – auf die Industrie entfallen 21 Prozent, auf die Haushalte 20 Prozent und zur Energiegewinnung werden 5 Prozent verbraucht. Der Umweltexperte und sozialdemokratische Politiker Ermete Realacci verweist auf den Klimawandel, der in Italien die Gletschermasse in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel verringert habe.
Müde schleppt sich der Po dahin
So leiden im Norden unter der Hitze Seen wie der Lago di Garda, der es zurzeit nur auf 34 Prozent seiner Füllmenge schafft. Müde schleppt sich auch der Po der Adria zu. Bei Pavia wurden nur noch 3,5 Meter unter Pegelnullpunkt gemessen. Landschaften um Piacenza und Parma wurden von der Regierung zu Notstandsgebieten erklärt. In ganz Italien ist die Milchproduktion um 15 Prozent gesunken, in den Alpenregionen wird ein Drittel weniger Heu für Tierfutter produziert. Kritisch ist die Lage für die Landwirtschaft auch in der Toskana oder im Süden etwa in Kalabrien oder der Basilicata. Notrufe werden bereits nach Brüssel zur EU gesandt. Hilfreich wäre vielleicht auch, wie einst in der Antike Jupiter Pluvius um den einen oder anderen Regenguss zu bitten.