„WIR SEHEN UNS ALS PARTNER“


Vor zehn Jahren wurde in Mailand der Deutsche Anwalt Verein Italien (DAV Italien) gegründet, der ein Netzwerk zwischen den beiden Ländern gespannt hat. Ein Gespräch mit dem Vorsitzenden Stephan Grigolli über zwei Rechtssysteme und Rechtskulturen

Blick auf Cagliari - In der Regionalhauptstadt von Sardinien feierte der DAV Italien sein zehnjähriges Bestehen

Blick auf Cagliari – In der Regionalhauptstadt von Sardinien feierte der DAV Italien sein zehnjähriges Bestehen

Mailand – Europa wächst allen Unkenrufen zum Trotz zusammen, doch bleiben viele nationale Eigenheiten auf unterschiedlichen Gebieten, die nicht alle zu harmonisieren sind. Das gilt besonders für das Rechtsystem. Anwälte versuchen zwischen Deutschland und Italien, zwischen unterschiedlichen Regelwerken und zwischen kulturellen Besonderheiten zu vermitteln. Im Deutschen Anwalt Verein (DAV) – dem größten freiwilligen Zusammenschluss von Anwälten auf der Welt mit rund 67.000 Mitgliedern – gibt es einen Auslandsverein „Italien“, der auf Initiative von Rechtsanwalt und Avvocato Stephan Grigolli aus Mailand im Oktober 2007 gegründet wurde. Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens von DAV Italien hier ein Gespräch mit Stephan Grigolli (*).

Avvocato und Rechtsanwalt - Stephan Grigolli

Avvocato und Rechtsanwalt – Stephan Grigolli

Herr RA Grigolli wie kam es 2007 zur Gründung des DAV Italien?

Stephan Grigolli: „Es war einfach an der Zeit. Zwischen Deutschland und Italien gibt es seit Jahrzehnten innerhalb der EU engste Wirtschaftsbeziehungen. Deutschland ist für Italien der wichtigste Wirtschaftspartner und Italien für Deutschland einer der wichtigsten. Im Deutschen Anwalt Verein gab es damals nur Auslandsvereine für Großbritannien und Frankreich. Das brachte mich auf die Idee, zusammen mit Kollegen aus Reggio Emilia, Rom und Salerno, aus ganz Italien also und nicht nur aus Mailand, den DAV Italien zu gründen.“

In dem Anwälte beider Länder Mitglieder sind?

„Ja, heute haben wir rund 70 Mitglieder, davon ein Drittel in Deutschland und zwei Drittel in Italien. Kolleginnen und Kollegen, die alle mit den deutsch-italienischen Wirtschaftsbeziehungen zu tun haben, beide Rechtsordnungen kennen und natürlich beide Sprachen sprechen. Es kam uns vor allem darauf an, ein Netzwerk aufzubauen, das funktioniert und nicht nach Nationen getrennt ist. Wir wollten Brücken zwischen den Nationen schlagen. Unserem Beispiel sind dann viele andere gefolgt. Heute gibt es nach diesem Muster 14 Auslandsvereine im DAV, zum Beispiel mit Spanien, Portugal, Polen, Griechenland, der Türkei und sogar mit Brasilien.“

Berührungsängste abbauen

Kann man das als eine zwischennationale Interessenvertretung von Anwälten ansehen?

„Der DAV ist eine Interessenvertretung von Anwälten, die Auslandsvereine setzen auch noch andere Schwerpunkte. Uns geht es um ein Netzwerk zwischen deutschen und italienischen Kollegen. Es geht um Beratung, um den Austausch von Wissen, Informationen, Hintergründen. Wir sehen uns als Partner. Partner für Konsulate, Botschaften, Handelskammern, Institutionen und vor allem für den rechtssuchenden Bürger, der dadurch auch seine Berührungsängste zu Anwälten abbauen kann.“

Welche Aktivitäten gibt es unter ihnen?

„Wir organisieren zum Beispiel Fortbildungsveranstaltungen in Deutschland mit den lokalen Vereinen des DAV über italienisches Recht und umgekehrt in Italien mit interessierten Gruppen über deutsches Recht. Wir möchten Verständnis für den jeweiligen anderen Rechtskreis schaffen. Deutsche Kollegen, die sich überhaupt nicht mit italienischem Recht auskennen, wird so ein erster Hintergrund geliefert, und sie stehen nicht vor einer Wand, wenn erste Schwierigkeiten auftauchen.“

Welche Art von Streitigkeiten zum Beispiel spielen denn zwischen den beiden Ländern eine besondere Rolle?

„Streitigkeiten? Unseren Mitgliedern geht es erst einmal darum, Streitigkeiten zu verhindern. Z.B. bei der Gründung eines Joint Ventures in Italien. Dabei muss man Rechtsvorstellungen, die ein Deutscher im Kopf hat, und die, die ein Italiener im Kopf hat zusammen führen und eine gemeinsame Ausgangsbasis schaffen. Eine Arbeit gleichsam im Vorfeld, um Streit zu vermeiden. Streit kann es dann geben, sagen wir in einem Fall der Lieferung von Deutschland nach Italien von Großmaschinen, wobei es um Millionenbeträge geht. In Deutschland und in Italien gibt es nämlichunterschiedliche Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Eigentumsvorbehalt, die sich im Falle unterbliebener Zahlung des Kaufpreises natürlich unterschiedlich auswirken: der deutsche Lieferant würde in dem Fall seine Maschinen wieder haben wollen, der italienische Käufer sie aber nicht herausrücken. Da muss man vermitteln.

Kulturelle Unterschiede

Kann man mit Paragraphen alles klären?

„Nicht alles. Es gibt auch kulturelle Unterschiede. Und da helfen unsere Mitglieder, Barrieren abzubauen und zu vermitteln. Einige Probleme sind rein rechtlicher Natur, andere haben auch mit den verschiedenen Lebenswelten zu tun, in denen sich unsere Mitglieder perfekt zurechtfinden.“

Zehn Jahre DAV Italien, wie würden Sie Bilanz ziehen?

„Ziel unserer Arbeit ist gestern wie heute, in Deutschland unter Kolleginnen und Kollegen ein entspanntes Klima, das Bewusstsein und das Verständnis für eine fremde Rechtsordnung wie es die italienische ist zu schaffen. Deutsche Anwälte machen jetzt mehr als früher ihren Klienten klar, dass in Italien (im wahrsten Sinne des Wortes) andere Gesetze als nördlich der Alpen herrschen und werben hier für Verständnis. Umgekehrt gehen auch mehr Italiener als früher nach Deutschland, um dort wirtschaftlich tätig zu werden und werden dort von unseren deutschen Mitgliedern umfassend und kompetent unterstützt und beraten. Im Rahmen des DAV gelten wir mittlerweile als einer der aktivsten Auslandsvereine im DAV und dies freut unsere Mitglieder sehr.“

Eine Tagung in Cagliari

Zehn Jahre, ein Grund zum Feiern?

„Das haben wir gerade gemacht. Wir haben Mitte Juni unsere Mitglieder nach Cagliari zu einer kleinen Jubiläumstagung eingeladen. Das Thema war Verwaltungsrecht, öffentliches Recht im föderalen Italien. Dazu passte natürlich der Tagungsort, Cagliari in der autonomen Region Sardinien, besonders gut. Hauptreferent war der frühere Senator der Republik Oskar Peterlini von der Südtiroler Volkspartei, der heute als Lehrbeauftragter an der Freien Universität Bozen Verfassungsrecht lehrt. Da ging es um Stichworte wie Föderalismus, Regionalismus, Finanzautonomie oder Deregulierung in Italien. Als kulturelle Punkte standen eine Stadtführung etwa des unterirdischen Cagliari und seiner historischen Gängesysteme auf dem Programm, ein Besuch der Ausgrabungsstätten von Nora sowie von Naturreservaten an der Küste. Und schließlich gab es wundervolles Essen, denn was die Lebenskultur angeht, da ist Italien in Europa kaum zu toppen. Und diese haben auch unsere anwesenden deutschen Kollegen sehr genossen.“

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(*) Zur Person:  Dr. jur Stephan Grigolli, geboren 1971 in Rovereto, zweisprachig aufgewachsen (Vater Italiener, Mutter Deutsche). Zulassung als Rechtsanwalt in Deutschland und als Avvocato in Italien mit eigener Kanzlei (Grigolli & Partner) in Mailand. Vorsitzender des DAV Italien sowie der Deutschen-Italienischen Wirtschaftsjunioren Mailand, Mitglied u.a. der Deutsch-Italienischen Handelskammer (Mailand) und der Italienischen Handelskammer für Deutschland (Frankfurt am Main).

Info: DAV Italien