ZWISCHEN EUROPA UND DER VORGESCHICHTE


Eine Reform der staatlichen Museen Italiens, zu der auch die Möglichkeit gehört, Direktorenposten europaweit auszuschreiben, könnte an rückwärts gewandten Richtern und einem eifersüchtigen Beamtentum scheitern

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Missgelaunt – Italiens Kulturminister Dario Franceschini

Rom – Dem italienischen Kulturminister Dario Franceschini weht der Wind ins Gesicht. Seinem Versuch einer umfassenden Reform der staatlichen Museen und einer Neuordnung der Verwaltung der archäologischen Zonen Italiens droht das Scheitern. Im Zuge der Reform werden die Strukturen der Einrichtungen umorganisiert, es wird Bürokratie abgebaut und die Zusammenarbeit mit den zuständigen Denkmalschutzämtern neu geregelt. Und nicht nur Staatsbeamte, sondern auch erfahrenen Kulturmanager aus dem In- wie dem Ausland sollen an ihre Spitze rücken dürfen. Vor allem die Berufungspraxis haben unterschiedliche Urteile der Verwaltungsgerichte aufs Korn genommen und könnten dadurch das gesamte Reformgebäude zum Einsturz bringen.

Keine Ausländer auf staatlichen Verwaltungsposten?

Im Sommer 2015 hatte der Minister für 20 bedeutende staatliche Museumseinrichtungen des Landes nach einem Ausschreibungsverfahren neue Direktoren berufen. Darunter waren sieben Persönlichkeiten aus dem Ausland wie die Deutschen Eike Schmidt für die Uffizien, Cecile Hollberg für die Galleria dell’ Accademia (beide in Florenz) und Gabriel Zuchtriegel für die Ausgrabungen von Paestum. Aus Österreich kamen etwa Peter Assmann an den Palazzo Ducale von Mantua und Peter Aufreiter an den von Urbino.

Nachdem zwei unterlegene Bewerber gegen Berufungen nach dem neuen Ausschreibungsverfahren geklagt hatten, hatte am 25. Mai das Verwaltungsgericht (TAR) der Region Latium die sofortige Amtsenthebung von fünf Direktoren (vier Italiener und Peter Assmann) angeordnet. Ein Urteil gegen Gabriel Zuchtriegel wurde wegen eines Formfehlers ausgesetzt. Das Gericht begründete seine Entscheidung im Fall Assmann (Mantua) unter anderem damit, dass auf staatlichen Verwaltungsstellen kein Ausländer berufen darf. Aber: gleichzeitig wurden von einer anderen Sektion des Gerichts Klagen etwa gegen Eike Schmidt und Cecile Hollberg abgewiesen. Fachleute bestreiten zudem die Rechtsauslegung des TAR, weil im Fall der ausländischen Direktoren inzwischen europäisches Recht nationales Recht brechen würde.

Rückbau der Reform „Stein für Stein“?

Es herrscht ein juristisches und politisches Chaos. Kulturminister Dario Franceschini zeigt sich entsetzt „ohne Worte“ und fragt, was für eine Bild Italien jetzt in der europäischen Öffentlichkeit abgeben würde? Dagegen jubeln kunsthistorische Fundamentalisten wie der politisch rechts stehende Vittorio Sgarbi oder der linke Tomaso Montanari über die „einwandfreie Entscheidung“ des Gerichts. Montanari verlangte sogleich den „Rückbau“ der Reformmaßnahmen Franceschinis „Stein für Stein“. Auf einer Gemeinderatssitzung von Urbino beschimpfte Sgarbi, der unter anderem Kulturassessor der Stadt ist, den Direktor des Palazzo Ducale Peter Aufreiter als einen „Barbar von jenseits der Alpen“, der „unwürdig“ sei, dieses Amt auszuüben.

Der Journalist und Schriftsteller Francesco Merlo nannte dagegen den Vorgang in der römischen Tageszeitung la Repubblica „grotesk“. Diese Rechtsprechung würde zu einem „Brexit der italienischen Museen“ führen. Verwaltungsgerichte wie das des Latiums seien Instrumente einer „Kultur des Nein“, mit der jeder Fortschritt in Italien ausgebremst werde. Mit Spannung wird jetzt eine Entscheidung des Staatsrates erwartet, bei dem Kulturministerium als höchstes Organ des italienischen Verwaltungsrechts Berufung eingelegt hat.

Einer Erfolgsgeschichte zum Trotz?

Zu denken sollte auch geben, dass der vom Gericht geschasste Peter Assmann in Mantua Erfolgsgeschichte schreibt. Mit 51 Prozent mehr Besucher seit Beginn seiner Tätigkeit am Palazzo Ducale konnte er auf der Liste der meistbesuchten Museen Italiens, die vom Kolosseum und Forum Romanum angeführt wird, zehn Plätze gut machen und liegt jetzt auf Platz 17. Gleich hinter dem Ausgrabungsgebiet von Paestum, das unter Gabriel Zuchtriegel vier Plätze nach oben rutschte. Überall können die ausländischen Direktoren eine positive Bilanz ziehen.

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Umgehängt: Botticellis „Geburt der Venus“ in den Florentiner Uffizien

Die Uffizien melden unter Eike Schmidt einen Besucherrekord von über 2 Millionen im Jahr 2016. Und durch gezielte Neuhängungen zur Vermeidung von Schlangenbildung eine bessere Führung der Besucherströme. In der Mailänder Brera, die von dem Anglokanadier James Bradburne geleitet wird, sind 20 Säle neu strukturiert worden. Kleine punktuelle Ausstellungen wie gerade über den Barockmaler Pompeo Batoni werten die Sammlung auf, was auch zu einem Plus von 5,4 Prozent mehr Besucher sogar gegenüber dem Erfolgsjahr der Mailänder Expo 2015 geführt hat. Aber in Beamten- und Bürokratenkreisen Italiens zählen Leistung und Erfolg anscheinend wenig. Sollte der Staatsrat das Urteil des Verwaltungsgericht nicht aussetzen, droht eine ganze Welle von Klagen gegen die neue Berufungspraxis auch bei weniger bedeutenden Museen.

Die abgesetzten Museumsdirektoren (deren Gehalt auch eingefroren wurde) werden vorläufig durch Regionalvertreter des Kulturministeriums ersetzt. Uffizien-Chef Eike Schmidt forderte in einem Interview: Italien müsse jetzt zwischen Europa und der Vorgeschichte wählen.