OHNE IDEEN


Nach der Wahl droht Italien Stagnation – auch in der Kulturpolitik. Dabei wäre ein Paradigmenwechsel notwendig.

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Nichts zu sagen? „Nach der Wahl“ ist vielleicht auch bald wieder „vor der Wahl“ – unbenutzte Plakatflächen in Mailand

Mailand/ Rom – Italien hat gewählt. Das Ergebnis jedoch, das auf eine Art Pattsituation hinausläuft zwischen der heterogenen Fünfsternebewegung M5S und der Rechtskoalition unter der Führung der kleinbürgerlichen und fremdenfeindlichen Lega – Berlusconis rechtsliberale Forza Italia spielt hier nur noch die zweite Geige –, das lässt nichts Gutes hoffen für die politische Entwicklung des Landes. Und für die kulturelle schon gar nicht. Stagnation ist angesagt. Auch weil der Partito Democratico nach der Abspaltung seines linken Flügels von den Wählern abgestraft wurde.

Gewiss, die Bürokratie des zentralen Ministeriums für Kulturgüter, kulturelle Aktivitäten und Tourismus (Mibact) läuft auch ohne politische Vorgaben oder unter einer den Status quo verwaltenden Übergangsregierung. Aber in den vergangenen vier Jahren hat gerade dieses Ministerium einen Reformprozess in Gang gebracht, der einer Reihe von staatlichen Museen und Kultureinrichtungen mehr Autonomie und weniger Bürokratie gebracht hat. Dieser Prozess ist jedoch noch lange nicht abgeschlossen. Ebenso nicht die Reform der Denkmalschutzämter, bei denen Kompetenzen zusammengelegt und Entscheidungsprozesse verschlankt werden (was Kritikern von Rechts- wie Linksaußen am liebsten schnell zurückdrehen wollen).

Auch die staatlich kontrollierten Kulturstiftungen wie die Biennale von Venedig oder die Triennale von Mailand sowie die vom Mibact unterstützten Stiftungen für Oper, Orchestermusik oder das Sprechtheater werden – teilweise von Regionen und Kommunen mitfinanziert – weiter machen so wie bisher. Oft am Rand einer Finanzkrise, wenn private Zusatzmittel ausbleiben. Aber das genau ist es, was droht: ein Weitermachen ohne Schwung und neue Ideen. Denn Kultur, das hat die Zeit vor der Wahl wie nach der Wahl gezeigt, Kultur findet in öffentlichen Debatten nicht statt.

Den Zugang zur Kultur erleichtern und fördern

Intellektuelle wie der Mailänder Ökonom Pierluigi Sacco, der an der Universität IULM Ökonomie der Kultur unterrichtet, fordern deshalb ein Umdenken, einen Paradigmenwechsel der Kulturpolitik. In einem Beitrag für das Turiner Fachblatt Giornale dell’Arte (März 2018) beschreibt Sacco die Notwendigkeit, grundsätzlich für alle Volksschichten den Zugang zur Kultur nicht nur zu erleichtern, sondern vor allem zu fördern.

Der Zugang zur Kultur mache uns, so der Ökonom, vielleicht nicht zu besseren Menschen, „aber er entwickelt Kompetenzen, um soziale und ökonomische Werte auf den unterschiedlichsten Gebieten zu produzieren.“ Kulturelle Beteiligung würde es ermöglichen, neue Wege zur Verbesserung unseres psychologisches Wohlseins zu finden, Einsicht in den Zusammenhang zwischen individuellen Entscheidungen und Umweltproblemen zu bekommen, leichter einen Dialog mit uns fremden Kulturen im Alltag zu führen und generell Ängste abzubauen vor Ideen und Entwicklungen, die neu sind. „Statt Kultur als eine Art snobistische Form der Unterhaltung zu verstehen“, schreibt Sacco, „müssen wir sie als fundamentalen Faktor einer aktiven Bürgerbeteiligung ansehen.“ Noch aber ist in Italien keine politische Partei in Sicht, die solche Einsichten in die Tat umsetzen wollte.