Frauen


Sardinien: Michaela Klüver-Spreng unterwegs auf alten Pfaden der Bergleute – Fotografieren zwischen Geschichte und Natur Iglesias – Vor dem Frühstück stehe ich auf der Klippe und warte. Darauf, dass die ersten Sonnenstrahlen die kleine Insel vor der Küste treffen. Noch sieht die Szene ein wenig fad aus. Es fehlt das Licht-Schatten Spiel. Auch die sagenhaften Farben, mit denen die Natur hier das Auge verwöhnt, kommen noch nicht raus. Im nächsten Moment hat es die Sonne über den Berg geschafft. Von einer Sekunde zur anderen beginnt der Pan di Zucchero zu leuchten. Umso mehr, als der gegenüberliegende Fels mit dem Porto Flavia Stollen noch im tiefen Schatten liegt. Das allererste Tageslicht bringt die Schönheit der Insel perfekt zur Geltung. Was hat mich dorthin gebracht?

ZWISCHEN MEER UND MINEN


Thesy Kness-Bastaroli erinnert an die Zeitzeugin und Journalistin Lili Gutmann, Enkeltochter von Eugen Gutmann, dem Gründer der Dresdner Bank, und ihrem Kampf um das von den Nazis verhökerte Familienerbe Florenz/Mailand – Sie war jüdisch geboren, wurde evangelisch getauft, hatte katholische Kinder und heiratete zum Schluss noch einmal nach dem griechisch-orthodox Ritus. Im Leben von Lili Collas-Gutmann, am 17. Juli 1919  im niederländischen Leiden geboren, überschneiden sich religiöse, kulturelle und nationale Erfahrungen und formen das Bild einer wachen, mutigen Europäerin. Bis ins hohe Alter hatte sie nie Ihren Sinn für Entschlossenheit wie Gerechtigkeit verloren – und ihre offene, einnehmende Art mit Menschen umzugehen. Im Alter von 100 Jahren ist Lili jetzt am 29. Januar in Florenz gestorben.

WACH, OFFEN, MUTIG



Emma Dante inszeniert am Piccolo Teatro eine neue Arbeit über Humanität und Hoffnung am Bodensatz der Gesellschaft Mailand (Piccolo Teatro Grassi bis 16.2.2020) – Drei etwas heruntergekommen wirkende Frauen sitzen in einer Reihe auf der Bühne. Sie stricken, sie streiten, sie beschimpfen sich. Zwischen ihnen ein junger Mann in einem kindlichen Kleid, geistesschwach, unfähig still zu sitzen und seine Bewegungen zu kontrollieren. Bald lernt der Zuschauer, es sind drei Prostituierte, die so tagsüber ihre Zeit verbringen, während sie sich nachts wohl nicht weniger heruntergekommenen Freiern anbieten. Der Junge aber ist das Kind einer Kollegin, die von ihrem Vater brutal erschlagen worden war, seine Verhaltensstörungen sind Folgen dieser Tat. Die Drei haben ihn aufgezogen.

im Theater: Misericordia


Der Spazio Ilisso in Nuoro zeigt Arbeiten der deutschen Fotografin Marianne Sin-Pfältzer über das Leben auf Sardinien zwischen Tradition und Wandel  Nuoro (Spazio Ilisso bis 30.April)- Marianne Sin-Pfältzer, 1926 in Hanau geboren, kam 1955 zum ersten Mal nach Sardinien – und fand auf der Insel ihren Lebensmittelpunkt. Sie starb in Nuoro 2015. In ihren Fotos, die jetzt im Spazio Ilisso (Nuoro) präsentiert werden, zeigt sich die „Wucht der Gegensätze zwischen Tradition und Wandel“, wie es einmal der Schriftsteller und Anthropologe Giulio Angioni (1939 – 2017) formuliert hat. Die Arbeiten von Marianne Sin-Pfältzer (s/w wie color) spiegeln das Leben auf Sardinien bis in die 1970er Jahre wieder. In abgelegenen Dörfern oder einsamen Landstrichen, an der Küste oder in Städten wie Cagliari, bei der Arbeit oder bei Feierlichkeiten. Und immer kann man Menschen in die Augen schauen.

Heimkehr ins Dorf von gestern



Das Teatro delle Albe aus Ravenna und zwei Gastspiele in Mailand. Eine Arbeit von Marco Martinelli und eine Vorlage von Luca Doninelli interpretiert jeweils von Ermanna Montanari. Mailand (Teatro dell’Elfo/Teatro Oscar) – fedeli d’Amore („Gläubiger der Liebe“) ist ein „Polyptichon“, wie es der Autor und Regisseur Marco Martinelli nennt. Sieben Szenen, die sich um die letzten Stunden von Dante Alighieri drehen, um seine Phantasien, Ängste oder die Tochter Antonia, die zum letzten Abschied an sein Bett tritt: „Padre, sono qui, mi senti? – Vater, ich bin hier, hörst Du mich?“. Der florentinische Dichter, die (über)große Vaterfigur der italienischen Literatur, starb an einem nebligen Septembermorgen 1321 im Exil in Ravenna. Martinelli schafft im Rückgriff auf den romagnolischen Dialekt, dem Dialekt der Stadt Ravenna, Monologe von poetischer Kraft, denen Ermanna Montanari mit ihren Stimmvariationen szenischen Raum gibt, der musikalisch mit Dissonanzen noch geweitet wird. Zu den aufgefalteten Bildern des Polyptichon gehört auch eine Vision Dantes, die sich von der Zersplitterung Italiens aus der Zeit der Stadtrepubliken in die Gegenwart weitet – ein Italien, „che scalcia se stessa“, das sich laufend selbst ein Bein stellt.

im Theater: fedeli d’Amore / Maryam