Der protestantische Friedhof in Rom besteht seit dem Jahr 1716. Ein Gespräch mit der Direktorin Amanda Thursfield über Bäume, Gräber, Katzen und die Bedeutung der Anlage für das Stadtviertel Testaccio
Rom – Vor genau 300 Jahren wurde in Rom 1716 ein „protestantischer Friedhof“ hinter der Cestius-Pyramide für Nichtkatholiken eingerichtet. Das älteste Grab, von dem es heute noch Spuren gibt, stammt aus dem Jahr 1738, das älteste Steinmonument von 1765. Der Friedhof für Nicht-Katholiken ist berühmt für seine historischen Grabanlagen. Begraben wurden hier unter anderem Goethes Sohn August oder Johann Sebastian Bach (der Maler), John Keats oder Malwida von Meysenbug, Gottfried Semper oder Henriette Hertz, Antonio Gramsci oder Carlo Emilio Gadda. Seine idyllische Lage am Fuß des Testaccio-Hügels hatte Maler im 18. und 19. Jahrhundert zu unzähligen Darstellungen angeregt. Später lösten Fotografen die Maler ab. Der Friedhof, der weiterhin Begräbnisse aufnimmt, ist eine Gemeinschaftseinrichtung von 14 ausländischen Botschaften (*), die ihn aber nicht finanzieren. Darum und alle weiteren Verwaltungsaufgaben kümmert sich die Vereinigung „Il Cimitero Acattolico di Roma“ (**), die seit Ende 2007 von der in Nottingham geborenen Literaturwissenschaftlerin Amanda Thursfield geleitet wird.
Fragen an die Direktorin:
Vor knapp zehn Jahren gab es einige Probleme mit der Anlage. Bäume stürzten um, Teile des Friedhofs wurden abgesperrt. Wie geht es der Anlage heute 300 Jahre nach der Gründung?
Amanda Thursfield: Das war eine schwierige Zeit für uns. Nach einer Schlechtwetterperiode waren mehrere kranke Pinien umgestürzt. Aus Sicherheitsgründen musste sogar der Friedhof für einige Monate für Touristen geschlossen werden. Wir haben dann eine Bestandsaufnahme aller Bäume gemacht – heute haben wir 435 Bäume, die über zwei Meter hoch sind. Baum für Baum wurde überprüft und wir mussten damals 28 von ihnen fällen. Andere konnten wir durch entsprechende Pflege retten. Seitdem führen wir jeden Winter eine Generalüberprüfung durch. Die Lage hat sich dadurch entspannt. Der Friedhof, der ja auch ein Garten, ein Park ist, muss eben fachmännisch gepflegt werden, auch wenn das nicht geringe Kosten verursacht. Heute geht es der Anlage wieder gut.
Und die gefällten Bäume wurden ersetzt?
Thursfield: Dem Gesetz nach müssen wir jeden Baum, den wir entfernen, durch eine jüngeren Pflanzung wieder ersetzen. Das Gartenbauamt der Gemeinde Rom entscheidet welche Art angepflanzt werden soll. Also eine Pinie muss nicht unbedingt wieder mit einer Pinie ersetzt werden. Oft werden Zypressen gewählt. Sie haben den Vorteil, dass sie mit ihren Wurzeln senkrecht im Boden verankert sind und nicht waagerecht wie bei einer Pinie. Was ja für einen Friedhof durchaus problematisch sein kann. Auf der anderen Seite sind unsere majestätischen Pinien ein Aushängezeichen des Friedhofs. Das sind wahre Prachtexemplare und bis zu 30 Meter hoch. Ihre Kontrolle lassen wir uns einiges kosten. Und wenn es nachts stürmt, mache ich kein Auge zu. Wir tun zwar alles, aber Natur ist unberechenbar.
Eine Pflege benötigen ebenso die vielen historischen Grabanlagen, auch die belasten ihr Budget?
Thursfield: Natürlich. Die Gräber, die in jüngerer Zeit von den Familien der Verstorbenen gepachtet worden sind, werden von den Angehörigen selbst gepflegt und wir werden nur in ihrem Auftrag etwa bei Instandsetzungen tätig. Aber die vielen historischen Gräber sind Kulturgüter, die von uns erhalten werden müssen. Wenn dann besonders hohe Ausgaben auf uns zu kommen, versuchen wir, durch Fundraising die Ausgaben zu decken oder wenigstens zu mindern. Kürzlich etwa bei einem Grab eines amerikanisch-italienischen Ehepaares vom Ende des 19. Jahrhunderts. Einer Familie Ceccarini, die sich sozial an der Adriaküste im Ort Riccione engagiert hatte und dort noch heute für ihre Wohltätigkeiten bekannt ist. Doch in Riccione wusste niemand, wo sich ihr Grab befand. Als wir öffentlich auf Sponsorensuche für das Grab ging, wurde die Geschichte aufgedeckt. Und die Gemeinde und der dortige Rotaryclub haben die Kosten für die Restaurierung übernommen. Zur Wiedereinweihung kamen zwei Reisebusse mit Bürgern aus Riccione. Das war sehr bewegend.
Was kostet der Friedhof, wie hoch ist der Etat?
Thursfield: Der Friedhof kostet der Verwaltung rund 1000 Euro am Tag. Teuer ist auch die Beseitigung der Gartenabfälle, die nicht einfach so über die städtischen Müllabfuhr entsorgt werden können. Wir müssen diese Art von Abfälle in einem eigenen Container sammeln, der einmal im Monat von einem Spezialunternehmen entleert wird. Das allein kostet uns Hunderte von Euro jeden Monat
Wie viele Mitarbeiter haben Sie?
Thursfield: Wir sind wenige. Außer mir gibt es noch zwei Vollzeit- sowie zwei Halbzeitangestellte. In unserem Besucherzentrum sind auch freiwillige Hilfskräfte tätig. Die Gartenarbeiten haben wir ausgegliedert und sie einer Kooperative übergeben. Eine überprüfte Kooperative, denn nicht alle Kooperativen in Rom haben einen guten Ruf. Jeden Tag arbeiten zwei Gärtner auf dem Gelände. Für größere Arbeiten etwa für die Beschneidung oder für Säuberungen rückt eine ganze Mannschaft an. Das funktioniert sehr gut.
Woher kommt das Geld für einen Etat von alles zusammen rund 400.000 Euro im Jahr? Gibt es eine Eintrittsgebühr?
Thursfield: Besucher werden gebeten, freiwillig einen kleinen Betrag ab drei Euro zu spenden. Aber die wichtigste Einnahmequelle sind natürlich die Pachtgelder. Wer ein Grab für dreißig Jahre pachtet, zahlt auch Gebühren für Pflege und Erhaltung der Anlage. Insgesamt gibt es rund 2500 Gräber, allerdings viele davon sind die bereits erwähnten historische Grabanlagen.
Wer kann auf dem Cimitero Acattolico begraben werden?
Thursfield: Bei uns kann man einen Pachtantrag stellen, wenn der Verstorbene ein Nichtkatholik war, der in Italien mit festem Wohnsitz gelebt hatte und zu einem der 14 Staaten (*) gehört, denen die Verwaltung unterstellt ist. Italiener oder Katholiken können hier begraben werden, wenn ein enger Verwandter – dazu gehören auch eheähnliche Gemeinschaften – von ihnen hier bereits ein Grab hat. Aber dafür bedarf es einer besonderen Genehmigung der Verwaltung.
Der Friedhof, ein Ort der Ruhe und der Andacht, ist öffentlich zugänglich und auch ein Ort für Touristen, die Sie sich sogar wünschen. Das ist kein Widerspruch für Sie?
Thursfield: Nein, als historischer Ort freuen wir uns über jeden Besucher. Der allerdings sich dem Ort entsprechend verhält, zum Beispiel sein Handy abstellt. Auch Gruppen sind zugelassen, sie müssen sich aber vorher anmelden, damit es keine Überschneidungen mit anderen Gruppen gibt, und es dürfen nicht mehr als 20 Personen sein. Der Friedhof muss weiterhin die Würde ausstrahlen, die die Verwandten der Toten erwarten dürfen, wenn sie die Gräber ihrer Lieben besuchen.
Welche Rolle spielt die Anlage hier im Stadtviertel?
Thursfield: Eine gute. Sie ist ein Ort der Ruhe auch für die Bewohner des Testaccio, die der Konfusion des modernen Stadtlebens für einen Augenblick den Rücken kehren möchten. Es ist schön, wenn sie hier her kommen, auf den Bänken sitzen, lesen oder sich leise mit Bekannten unterhalten. Es ist heute so schwer, in der Großstadt einen spirituellen Ort zu finden, wo man das Internet ausschaltet und – ohne zu rauchen übrigens – sich entspannen kann, nachdenken kann, erinnern kann. Ich glaube, der Friedhof ist etwas Besonders für das Stadtviertel.
Auch weil er von ganz vielen Katzen bewohnt wird…
Thursfield: Ja, die Katzen werden von allen geliebt, sie sind ein Plus für unser Image. 30 bis 35 Katzen leben hier. Eine Gruppe von Frauen, die sogenannten „gattare“, hat sich in der Vereinigung „I gatti della piramide“ zusammen geschlossen. Die kümmern sich um die Tiere, füttern sie und pflegen sie auch, wenn sie krank sind. Als ich vor 40 Jahren zum ersten Mal nach Rom kam, gab es viele magere, kranke Katzen. Heute ist das nicht mehr so. Unsere strotzen vor Gesundheit und haben ein glänzendes Fell. Viele Besucher wollen sie fotografieren. Sie gehören einfach zu uns.
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(*) Australien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Griechenland, Großbritannien, Kanada, Niederlanden, Norwegen, Russland, USA, Südafrika, Schweden, Schweiz
(**) Il Cimitero Acattolico di Roma, Via Caio Cestio 6, 00153 Roma
Zur Erinnerung an die Gründung 1716 hatte die Casa del Goethe in Zusammenarbeit mit dem Cimitero Acattolico unter dem Titel „Am Fuße der Pyramide – 300 Jahre Friedhof für Ausländer in Rom“ eine Ausstellung (23.9. bis 13.11.) gezeigt. Die deutsche Ausgabe des interessanten und schön aufgemachten Katalogs kann hier bestellt werden (18 Euro)
Siehe auch auf Cluverius den Beitrag über Johann Sebastian Bach und seinen Tod in Rom