Gegenwartskunst


Von Raffael zu Legosteinen: Henry Keazor verfolgt in einem anregenden Buch Adaptionen und Interpretationen der „Schule von Athen“ durch fünf Jahrhunderte Mailand/Rom – Endlich, Impfpässe oder Tests öffnen die Grenzen. Wir können wieder reisen, auch nach Rom, auch in die Vatikanischen Museen, um staunend vor Raffaels Meisterwerk „Schule von Athen“ (1509/1511) zu verharren. Nun ist das Buch von Henry Keazor mit dem Titel „Raffaels Schule von Athen“ (Wagenbach Verlag) keine Buch zur Reise, dafür würde es auch in Form und Gewicht das Gepäck für unterwegs zu sehr belasten. Aber zurück aus Rom oder zur Vorbereitung auf den Besuch der Vatikanischen Museen – oder einfach so –, lädt der Autor zu einer ganz eigenen, neuen, bunten, abenteuerlichen, vergnüglichen wie lehrreichen Reise covidfrei durch Zeiten und Orte ein, die uns durch fünf Jahrhunderte, viele Länder und Dutzende Museen und Sammlungen führt. Eine Zeitreise, in der uns Raffaels Schule von Athen in immer neuen Interpretationen, Deutungen und Umdeutungen bis heute begleitet.

HALL OF FAME


Eine Installation des Designers Gaetano Pesce („Maestà sofferente“) wird von italienischen Feministinnen als frauenfeindlich kritisiert Mailand/Ferrara – Die Formung ist weiblich rund, weich und hat etwas Beschützendes. Doch sie ist verletzt durch Hunderte von Feilen, die in ihr stecken. Die überdimensionale, acht Meter hohe Installation von Gaetano Pesce trägt den Namen „Maestà sofferente“ – die „leidende Majestät“, oder die „leidende Würde“. Zur Installation von Pesce gehören eine ebenso überdimensionale Kugel, die an den zentralen Körper durch eine Schnur gekettet ist, sowie Skulpturen wilder Tiere, die die „Maestà“ belagern. Vor wenigen Jahren hatte der heute 82jährige Künstler und Designer sie zum ersten auf dem Mailänder Domplatz präsentiert. Gegenwärtig prägt sie den Eingang zum Messegelände in Ferrara, wo sie nach einer Initiative von Vittorio Sgarbi, dem streitbaren Kunstkritiker und Präsidenten der Vereinigung „Ferrara Arte“, am 8. März zum Weltfrauentag aufgestellt wurde (hier ein Video).

„DIE FRAU IST KEIN MÖBELSTÜCK“



Mailand feiert mit Unterstützung privater Unternehmen ein „Weihnachten der Bäume“ – Installationen zwischen Design und Kunst unterstreichen auch in tristen Tagen die zentrale Rolle, die die  Stadt in der italienischen Szene der Gegenwartskultur weiterhin spielen möchte – eine kleine Fotogalerie Mailand – „Weihnachtsbäume“ in Mailand 2020: In der Stadt, in der Finanzmarkt, Kommunikation und Gegenwartskultur den Rhythmus vorgeben, kann man nicht einfach nur ein paar Tannen mit Lichtern und buntem Schmuck erwarten. Im Auftrag der Fondazione Bracco des Mailänder Pharmakonzerns – und von ihm finanziert – hat der Eventveranstalter Marco Balich mit 21 von Designern entworfenen Installationen ein „Natale degli Alberi“ konzipiert. Ein „Weihnachten der Bäume“ mit Installationen, die (oft) von der Pyramidenform des Weihnachtsbaums ausgehen. Sie wollen auf Plätzen der Stadt Werte wie Hoffnung, Nachhaltigkeit und Solidarität vermitteln – und zugleich Unternehmen Gelegenheit geben, ihr Label mit der guten Botschaft zu verbinden ( – hier zum offiziellen Video).

NATALE DEGLI ALBERI


Die Fondazione Trussardi präsentiert eine Installation von Ragnar Kjartansson in der Mailänder Pestkirche San Carlo al Lazzaretto Mailand (San Carlo al Lazzaretto bis 25.10.) – Die Musikinstallation The Sky in a Room des Isländers Ragnar Kjartansson (1976, Reykjavik), die man in einer kleinen Mailänder Kirche erleben kann, setzt sich auf ganz poetische Art mit der Stimmung in Corona-Zeiten auseinander. Dabei wechseln sich Berufsmusiker ab, die sechs Stunden lang ununterbrochenen ein für Orgel geschriebenes Arrangement des italienischen Chansons Il cielo in una stanza von Gino Paoli (1934, Monfalcone) darbieten. (Hier ein Video Eindruck). 

DER HIMMEL IN EINEM ZIMMER



Das kulturelle Venedig lebt nach langem Lockdown wieder auf. Und in die Lücke der verschobenen Architekturbiennale ist 125 Jahre nach der Gründung der Biennale eine  dokumentarisch geprägte Ausstellung über die gemeinsame Geschichte ihrer sechs Sparten getreten. Venedig (bis 8.12.) – Gold fließt in den Fenstern des Museo Correr, die sich der Piazza San Marco zuneigen. Venedig will mit dieser Installation des Videokünstlers Fabio Plessi gegenüber der Markusbasilika spektakulär zeigen, dass es wieder geöffnet hat. Zu besichtigen sind – allerdings meist nur nach einerAnmeldung online  – wieder Museen und Kultureinrichtungen von Peggy Guggenheim bis zum Palazzo Grassi, von der Galleria dell’Accademia bis zur Ca’ Rezzonico. Die einer großen Öffentlichkeit gewidmete Architekturbiennale musste jedoch aufs kommende Jahr und dementsprechend die nächste Kunstbiennale von 2021 auf 2022 verschoben werden. Ausgerechnet jetzt zum Jubiläum, 125 Jahre nachdem die erste Biennale ins Leben gerufen worden war, muss Venedig auf einen solchen Kulturhöhepunkt verzichten. Die Lücke kann man nicht füllen, doch hat man aus der Not eine Tugend gemacht. 

DER DIALOG DER MUSEN