Gegenwartskunst


Die Skulptur „You“ oder Warum Maurizio Cattelan Angela Merkel sein möchte Mailand (Galleria Massimodecarlo bis 25. 6.) – Hier hängt er nun im blauen Anzug mit Krawatte, einen Blumenstrauß in der Hand, barfuß und den Strick um in den Hals im grünen Marmorbad der Mailänder Galerie von Massimo De Carlo: eine der typischen Puppen von Maurizio Cattelan, die sein Antlitz – diesmal mit einem traurigen Lächeln – tragen. You nennt sich diese brandneue Arbeit. Aber was die einen schockiert, lässt andere nur gähnen. Cattelan, einst mit dem betenden Hitler, dem erschlagenen Papst oder dem erhängten Kind ein willkommener Provokateur und Meister der Ironie, so die Kritikerin Alessandra Mammì in der Zeitschrift Artribune, wiederhole sich nur noch müde selbst. Schockierend seien die Zeitläufe, nicht eine erhängte Puppe im Nobelklo.

NEUE FREUNDLICHKEIT


Italien: Aus der Vielfalt der Zentren für Gegenwartskunst ragen Turin und besonders Mailand heraus – und Venedig als internationale Bühne Mailand – Die Gegenwartskunst in Italien stagniert. Das hat sicher auch damit zu tun, dass das ganze Land einen müden Eindruck macht. Es steht von einigen Bereichen (Mode, Design, Food) ausgenommen nicht im internationalen Interesse, bietet auch keine beispielhaften sozio-politischen Entwicklungen (oder sie verpuffen wie die Fünfsternebewegung in wenigen Monaten) und wird kulturell im Ausland kaum noch wahrgenommen. Immer weniger Künstlerinnen und Künstler aus Italien sind auf internationalen Ausstellungen und Messen präsent, beklagte kürzlich ein Forum zur Gegenwartskunst am Museum Pecci in Prato. Dabei gibt es im Land mehrere Zentren, die zumindest historisch eine Rolle gespielt haben oder sich gerade neu aufstellen und vielleicht Ansätze bieten, der Szene neue Anstöße zu geben.

BUNT WIE ARLECCHINO



Dialog von Design und Kunst auf dem „Fuorisalone“ der Mailänder Möbelmesse – zum Beispiel das Wandgemälde „Be Water“ von Maurizio Cattelan in einem historischen Schwimmbad Mailand – Verschoben ist nicht aufgehoben: Die Mailänder Möbelmesse, die in diesem Jahr wegen der Pandemie von April auf September verlegt wurde, beweist kreativen Überlebenswillen. Nicht nur Fachbesucher, sondern Kulturtouristen aller Herren Länder zieht es gerade wieder in die lombardische Metropole. Besonders der Fuorisalone, die Veranstaltungen des Salone del Mobile im Mailänder Stadtbild, öffnet sich zu diesem ungewohnten Herbsttermin mehr denn je einem Dialog von Design und Kunst. Die meisten Installationen etwa in den Innenhöfen der staatlichen Universität oder im kleinen botanischen Garten hinter dem Palazzo Brera bleiben jedoch ephemer. Sie werden nach Abschluss der Designwoche (4. – 12.9.) und der anschließenden Artweek (13.-19.9. mit der Messe MiArt ) wieder aus dem Stadtbild verschwinden. Anders eine Arbeit von Maurizio Cattelan in der Piscina Cozzi, einem Hallenbad im Viertel Porta Venezia, die zumindest bis Ende 2022 allen Schwimmfreunden erhalten bleibt.

MANIFEST DES WOHLBEFINDENS


Die immer wieder aufflammende Debatte über den Tot der Malerei in der anregenden Ausstellung „Stop Painting“ in der Fondazione Prada (Venedig), die Peter Fischli kuratiert hat. Venedig/Mailand – Ein Gespenst geht um in der Welt. Das Gespenst, das regelmäßig das Ende der Gemäldekunst verkündet. Bereits um 1840 rief Paul Delaroche angesichts erster Fotografien aus: „Von nun an ist die Malerei tot.“ Wir wissen, dass er nicht recht behielt. Aber die bis heute nicht abbrechende Folge von Todesmeldungen hat den Schweizer Peter Fischli animiert, in der Ausstellung Stop Painting  der Fondazione Prada Venedig darüber nachzudenken, ob diese Debatte nicht ein Gespenst, eben ein „Phantom-Problem“ sein könnte. Und so findet sich der Künstler nach dem Tod seines langjährigen Partners David Weiss in der ungewohnten Rolle des Kurators wieder.

EIN ENDE OHNE ENDE



Parma: Die Italienische Kulturhauptstadt in Zeiten der Pandemie  Mailand/Parma – Eine Schriftinstallation des Neonkünstlers Maurizio Nannucci zieht sich seit wenigen Monaten in Parma durch den Hof der ehemaligen Farnese-Residenz, dem Palazzo della Pilotta aus dem 17. Jahrhundert: „Time present and time past are both present in time future.“ Das Thema der Zeit, die vergangen oder gegenwärtig in der Zukunft präsent bleibt, bildet auch den Grundbass für das Programm, das die norditalienische Universitätsstadt für das Jahr 2020 entwickelt hatte, als ihr der Titel einer „italienischen Hauptstadt der Kultur“ zugesprochen worden war.

BRÜCHE ÜBERWINDEN