Wissenschaft


  Schwierige Verhältnisse, konfliktreiche Beziehungen: Mensch, Natur und Landschaft. Ein Gespräch mit dem Wiener Historiker Philipp Blom Mailand – Mensch und Natur kann man nicht getrennt denken. Davon ist der Wiener Historiker, Essayist und Schriftsteller Philipp Blom überzeugt. Im Interview spricht er von „einer absurden Selbstüberschätzung des Menschen“, der sich über Natur stellt. Er fordert, das Verhältnis „zwischen uns und dem Rest der Natur“ neu zu definieren,  und fragt sich nach der Rolle, die Landschaft dabei spielen kann. Philipp Blom wurde 1970 in Hamburg geboren, studierte Philosophie, Geschichte sowie Judaistik in Wien und Oxford, und lebt heute in Wien.

EINE ABSURDE SELBSTÜBERSCHÄTZUNG


Maddalena Fingerle ist mit dem Roman „Muttersprache“ ein bemerkenswerter Erstling gelungen, den Maria Elisabeth Brunner ebenso bemerkenswert übersetzt hat (Folio Verlag) Mailand – Der junge Italiener Paolo Prescher wächst in Bozen unter nicht ganz leichten Umständen auf. Sein Vater ist verstummt, seine größere Schwester bösartig und verlogen, seine Mutter vor allem mit sich selbst beschäftigt und Jan, sein bester Schulfreund, macht sich noch in die Hose. Kein Wunder, dass auch der junge Paolo Nerven zeigt: übersensibel an der Grenze zum Wahn leidet er darunter, dass ihm die Wörter „dreckig“ gemacht werden. Er merkt, „dass die Sprache, die ich spreche, schmierig ist und ich es nicht mehr schaffe, mich auszudrücken.“ Das ist die Ausgangssituation des Romans „Muttersprache“ von Maddalena Fingerle, der in der ­– um es gleich zu sagen – tollen Übersetzung von Maria Elisabeth Brunner bei Folio (Bozen/Wien) vorliegt.

DAS GEHEIMNIS DER BUCHSTABEN



Casa di Goethe (1):  Friedrich Noack (1858-1930) in Italien. Schreiben, Kunst & Forschung. Eine Ausstellung Mailand/Rom (Casa di Goethe bis 18.9.) – Das 19. Jahrhundert und die Deutschen in Rom: „Mit Vorliebe setzten sich zwei oder drei Landsleute in eine versteckte Weinkneipe zusammen und schimpften auf die anderen.“ So zitiert der Kulturhistoriker Friedrich Noack, der von 1891 bis 1915 als Korrespondent für die Kölnische Zeitung in der Hauptstadt des noch jungen italienischen Einheitsstaates lebte, einen Zeitgenossen. Das Zitat findet man in Noacks monumentalem Werk „Das Deutschtum in Rom seit dem Ausgang des Mittelalters“, in dem der Autor eine ganz andere Haltung einnimmt: die des neugierigen Forschers und Sammlers von Informationen über die Geschichte seiner Landsleute. In mehreren Jahrzehnten legte er eine riesige Namenskartei von Deutschen unterschiedlicher Berufe an, die in der Neuzeit bis zum Beginn des ersten Weltkriegs in Rom Spuren hinterlassen hatten. Die Casa di Goethe Rom, das nach ihrem Selbstverständnis „einzigen deutschen Museum im Ausland“, hat Noack jetzt eine Ausstellung gewidmet.

DEUTSCH-RÖMISCHES PUZZLE


Zwischen Ästhetik und Körper, zwischen Sprache und der physisch-erotischen Ebene. Vor 100 Jahren wurde Pier Paolo Pasolini geboren. Ein Gespräch mit Peter Kammerer. Mailand/Urbino – Unter den vielen Jahrestagen, die von der italienischen Kultur in diesen Wochen mehr oder weniger feierlich aufgegriffen werden (Beppe Fenoglio, Renata Tebaldi, Giovanni Verga etc), sticht der 5. März heraus. Am 5. März 1922 wurde Pier Paolo Pasolini in Bologna geboren. Am 2. November 1975 wurde er unter bislang nicht restlich geklärten Umständen in Ostia ermordet. Der Intellektuelle (Schriftsteller, Essayist, Filmemacher, bildende Künstler), der offen seine Homosexualität ausgelebt hatte, liegt bis heute mit seinen Arbeiten als unabhängiger Marxist und Fortschrittskritiker wie ein Fremdkörper in der Geschichte der italienischen Kultur und Gesellschaft. Obgleich als Zeitzeuge unbestritten, galt und gilt er  als Ärgernis. Dennoch war er vielen, wie Dacia Maraini („Pier Paolo, l’amico fragile“), Alberto Moravia oder Maria Callas, Freund.

»DAS SPIEL VON BEHAUPTUNG UND WIDERRUF«



Mailand: Wie die Grand Tour die Kunstszene in Italien belebte. Eine prächtige Ausstellung in den Gallerie d’Italia    Mailand (Gallerie d’Italia bis 27.3.) – Landschaften, die verzaubern, Städte, die faszinieren, Kunstschätze ohnegleichen und ein mildes Klima – die „Marke“ Italien beherrscht den Tourismusmarkt weltweit. Ihre Form prägte sich in der Zeit vom Ende des 17. bis Mitte des 19. Jahrhunderts aus, als Bildungsreisende sich in der „Grand Tour“ zwischen Venedig und Sizilien auf die Suche nach den Zeugen aus Antike und Renaissance machten und es zum guten Ton meist junger Vertreter der oberen Gesellschaftsschichten gehörte, es ihnen gleich zu tun. Während die einen vor allem literarisch Zeugnis ablegten, suchten die kaufkräftigen anderen, künstlerische Zeugnisse als Erinnerungsstücke mit nach Hause zu nehmen. Die prächtige Ausstellung „Grand Tour. Sogno d’Italia da Venezia a Pompei“ in den Gallerie d’Italia-Piazza Scala belegt wie die Kunst – vor allem die Malerei mit Ansichten von Landschaften und Städten aber auch mit Porträts der Reisenden – aufblühte.

KAUFHAUS DER SCHÖNHEIT